The Watcher (Staffel 1)

2022332 minab 16, ,

Vielversprechende True-Crime-Serie, der nach der Hälfte die Luft ausgeht

2014 kauften Derek Broaddus und seine Frau in Westfield, New Jersey ein Traumhaus für 1,2 Millionen Dollar – doch glücklich wurde die Familie dort mit ihren drei Kindern nicht. Schon während der Renovierungsarbeiten erhielten die Broaddus‘ Drohbriefe und eine Warnung, dass sie jemand beobachten würde. Sie gaben die Villa noch bevor sie eingezogen waren wieder ab – mit 400.000 Dollar Verlust. Journalist Reeves Wiedeman schrieb die schaurige Geschichte 2018 für „The Cut“ auf, Netflix sicherte sich die Rechte und beauftragte die Serienschöpfer Ryan Murphy und Ian Brennan mit der Produktion. Die True-Crime-Thriller-Serie „The Watcher“ ist mit Bobby Cannavale und Naomi Watts exzellent besetzt, doch die Story läuft sich nach unheimlichem Beginn mit zahlreichen bestenfalls skurrilen, manchmal auch dummen Wendungen zunehmend tot.

Das gut situierte New Yorker Ehepaar Dean (Bobby Cannavale) und Nora Brannock (Naomi Watts) erfüllt sich mit ihren beiden Kindern Ellie (Isabel Gravitt) und Carter (Luke David Bloom) den Wohntraum und zieht in eine alte, prunkvolle Villa in der Vorstadt ein. Mehr als drei Millionen Dollar bezahlen die Brannocks für das Anwesen und müssen sich finanziell gewaltig strecken. Besonders als Deans fest eingeplante Berufung zum Partner in einer New Yorker Anwaltskanzlei scheitert. Dafür läuft es bei Künstlerin Nora besser. Wohl fühlt sich die Familie in der neuen Umgebung aber nicht. Das liegt nicht nur an den äußerst seltsamen Nachbarn. Das ältere Ehepaar Mitch (Richard Kind) und Mo (Margo Martindale) ist mehr als sonderbar, jedoch nicht halb so durchgeknallt wie Aktivistin Pearl Winslow (Mia Farrow), die mit ihrem geistig behinderten Sohn Jasper (Terry Kinney) mehrfach ungefragt auf dem Grundstück oder gar im Haus auftaucht. Als Carters Frettchen getötet wird und die Brannocks per Post Drohbriefe erhalten, beauftragen sie den jungen Sicherheitsfachmann Dakota (Henry Hunter Hall), ein Alarmanlagensystem einzubauen. Der Gang zur Polizei verläuft für die Familie dagegen enttäuschend. Detective Rourke Chamberland (Christopher McDonald) zeigt wenig Interesse an dem Fall, empfiehlt aber die krebskranke Privatdetektivin Theodora Birch (Noma Dumezwani). Währenddessen drängt Noras alte Maklerfreundin Karen Calhoun (Jennifer Coolidge) sie, das Prunkhaus schnell wieder zu verkaufen – mit Verlust.

Jennifer Coolidge, Naomi Watts und Bobby Cannavale in „The Watcher“ (© Netflix)

Massenweise falsche Fährten

So vielversprechend die Story auf den ersten Blick klingt, so geheimnisvoll beginnt sie auch. Die gestresste Großstadtfamilie zieht ins Idyll der Vorstadt und die Entschleunigung scheint sofort einzusetzen. In diesem Prozess etablieren die Creator Ryan Murphy („American Horror Story“) und Ian Brennan („Glee“) eine mysteriöse Atmosphäre des Misstrauens. Schnell wird klar, dass hier überhaupt nichts stimmt und die Brannocks von außen massiv unter Druck gesetzt werden. Fesselt die Handlung in den ersten drei bis vier der insgesamt sieben rund 50 Minuten langen Episoden noch recht ordentlich, weil die Drehbuchautoren Murphy und Brennan massenweise Fährten auslegen, denen es zu folgen gilt, geht „The Watcher“ anschließend immer mehr die Dynamik aus. Die Story beginnt sich alarmierend wild im Kreis zu drehen und am wirklich unbefriedigenden Ende im Nichts zu versanden.

Protagonist erweist sich als Kotzbrocken

Auch die Figuren machen teilweise Probleme. Protagonist Dean entwickelt sich vom strengen Familienvater und liebevollen Mann zum selbstgerechten Kotzbrocken, der seine Probleme und Geheimnisse für sich behält oder seine Teenager-Tochter behandelt, als leben die Brannocks in den 1950er Jahren. So hat man zum Beispiel das Gefühl, er verschweigt seiner Frau nur aus dramaturgischen Gründen, dass er kein Partner wird. Diese Ungereimtheiten in der Charakterzeichnung häufen sich. Mit Künstlerin Nora kann das Publikum etwas besser mitfiebern, richtig stimmig ist ihre Figur jedoch auch nicht. Einerseits startet sie in der intellektuellen Künstlerszene durch, taucht dann aber ständig im elitär-versnobten Tennisclub auf – als Drehbuchkrücke, um dort auf Freundin Karen zu treffen, deren Absichten für den Zuschauer von Anfang an offensichtlich sind. Nora wird jedoch von den Autoren für dumm verkauft, sie merkt lange nicht, was gespielt wird. Das wirkt zu billig konstruiert. Die Zuschauerinnen und Zuschauer können sich immerhin an Bobby Cannavale („Blond“) und Naomi Watts („Mulholland Drive“) halten, die mit ihrer immensen Präsenz gegen die Schwächen ihrer Charaktere anspielen.

Mia Farrow und Terry Kinney in „The Watcher“ (© Netflix)

Nebenkerzen zünden irgendwann nicht mehr

Immer wieder zünden die Serienschöpfer Ryan Murphy und Ian Brennan Nebelkerzen – ein geheimer Blutkult, unterirdische Gänge, längst vergessene Killer aus der Nachbarschaft oder vermeintlich Ermordete – das ist mehr campy als spannend. Doch das sind alles nur hell lodernde Strohfeuer, die nicht darüber hinwegtäuschen können, dass es der Story von „The Watcher“ letztendlich an Substanz für sieben Folgen fehlt. Es ist nicht so, dass die Serie wirklich langweilig wäre, aber irgendwann wiederholen sich die Muster.

Fazit: „The Watcher“ ist eine solide produzierte und erstklassig besetzte True-Crime-Thriller-Serie, der nach gutem Beginn die Luft ausgeht, weil die Ausgangsgeschichte nicht über die volle Distanz trägt. Das hat den Streaminggiganten Netflix aber nicht davon abgehalten, völlig überraschend eine zweite Staffel in Auftrag zu geben – obwohl die Story mehr als auserzählt wirkt.

Streaming: „The Watcher (Staffel 1)“ ist seit dem 13. Oktober 2022 im Abo auf Netflix abrufbar.

Wertung 2,5 / 5
Produktionsland

USA 2022

Cast & Crew

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