The Recruit (Staffel 1)

2022435 minab 16, ,

Humorig-hartes Spionage-Drama mit einem faszinierenden Protagonisten

Spionage-Serien sind auf den großen Streamingportalen wieder in Mode und beim Publikum beliebt. Deshalb wird fleißig produziert. Doch die Generation nach „24“ und „The Americans“ hat sich verändert. Die Streamingdienste setzen aufgrund der jüngeren Zielgruppe verstärkt auf unerfahrenere Agenten. Dies gilt auch für die Netflix-Spionage-Serie „The Recruit“. Ein blutjunger CIA-Anwalt gerät in den ersten Tagen seines Dienstes zwischen die Fronten internationaler politischer Verwicklungen. Während die Thriller-Serie von Showrunner Alexi Hawley erzählerisch und inhaltlich solide konventionell daherkommt und immer ein leicht ironischer Unterton mitschwingt, der dem Thema die ganz große Schwere nimmt, fasziniert hier vor allem die wilde Charakterzeichnung des Titelhelden. Denn der Grünschnabel entpuppt sich als abgezockte Spielernatur mit Hang zur Selbstzerstörung.

Frisch von der Universität kommt der 24-jährige Anwalt Owen Hendricks (Noah Centineo) zur CIA. Er lebt in Washington, D.C. in einer WG mit seiner Ex-Freundin Hannah Copeland (Fivel Stewart) und seinem Kumpel Terence Hoffmann (Daniel Quincy Annoh) – ehemalige Kommilitonen. Gleich sein erster Fall im neuen Job unter der Leitung von CIA-Chefjurist Walter Nyland (Vondie Curtis-Hall) bringt den Neuling in große Schwierigkeiten. Die belarussische Agentin Max Meladze (Laura Haddock), die wegen Mordes in Phoenix einsitzt, droht der CIA in Briefen mit dem Verrat von Geheimnissen, was die Behörde in arge Bedrängnis bringen würde. Owen soll mit Meladze verhandeln und sie unter Kontrolle bringen. Obwohl er ihr Vertrauen gewinnt, erweist sich die Spionin als weitaus gefährlicher und wehrhafter als befürchtet. Verschiedene internationale Interessengruppen mischen sich in den immer komplizierter werdenden Fall ein.

Noah Centineo und Laura Haddock in „The Recruit“ (© Netflix)

Erfrischend außergewöhnliche Hauptfigur

Zugegeben, man braucht ein, zwei Folgen (von insgesamt acht), um zu verstehen, was „The Recruit“ aus dem üblichen Durchschnitt der Spionage-Serien heraushebt. Zunächst fällt auf, dass der Erzählton deutlich leichter ist als beispielsweise in der großartigen Serienadaption von „Jack Ryan“, in der der kompromisslose Hauptdarsteller John Krasinski ständig die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern zu tragen scheint. In „The Recruit“ werden Witze gerissen, die Erzählweise ist bisweilen flapsig und leicht – ganz im Gegensatz zu den Themen, die verhandelt werden. Den Regisseuren um „Jason Bourne“-Urgestein Doug Liman gelingt die Balance zwischen harter Action, Spannung und dezentem Humor erstaunlich gut, auch wenn sie es mit der vergifteten Atmosphäre, die die beiden nur bedingt plausiblen CIA-Randfiguren Lester (Colton Dunn) und Violet (Aarti Mann) als Owens Kollegen verbreiten, gelegentlich etwas übertreiben. Sie sind nur dazu da, dem Helden Steine in den Weg zu legen, und ihre Motivation wirkt zumindest bemüht.

Noah Centineo auf dem Weg zum Star

Das große Vergnügen an „The Recruit“ ist jedoch der Protagonist Owen Hendricks, ein hochintelligenter junger Anwalt, dessen Charakter den gängigen Grünschnabel-Klischees zuwiderläuft. Sein Umfeld bei der CIA ist geradezu toxisch, denn seine mürrischen und verbitterten Kollegen lassen ihn oft im Stich und sabotieren ihn sogar. Damit hat Owen zwar zu kämpfen, aber sein offensiv übersteigertes Selbstbewusstsein, das er meist kontrollieren kann, kommt in Notsituationen immer wieder zum Vorschein und hilft ihm aus der Patsche – wie ein Superheld im übertragenen Sinne. Als Owen zum Beispiel mit einem Verbrechersyndikat über eine Abfindung für seine Agentin Max Meladze verhandeln soll, lässt er sich von Gangsterboss Sandoval Luna (Arturo Castro) unter realistischen Todesdrohungen nicht einschüchtern, sondern geht zum verbalen Gegenangriff über und ist dabei so überzeugend, dass er sein Ziel erreicht. Der Charme, den Noah Centineo als frecher CIA-Newcomer ausstrahlt, der bei seinen Abenteuern ständig am Rande der Überforderung steht, hat das Zeug, ihn zum Star mit Potenzial für die große Leinwand zu machen. Im Superhelden-Actioner „Black Adam“ durfte der Jungschauspieler aus Miami als Mitglied der Justice Society bereits Blockbuster-Luft schnuppern.

Noah Centineo und Fivel Stewart in „The Recruit“ (© Netflix)

Laura Haddock überzeugt als rücksichtslose Spionin

Unter den Nebendarstellern sticht Laura Haddock („Guardians Of The Galaxy“) als brillante und absolut skrupellose Spionin hervor, denn der Aggregatzustand ihrer Beziehung zu Owen wechselt ständig. Aber auch Kaylah Zander („Chilling Adventures Of Sabrina“) hat als gerissene CIA-Anwältin, die Owen hinter den Kulissen mit Informationen versorgt und dafür eine Affäre mit dem Jüngling einfordert, großen Unterhaltungswert. Und Fivel Stewart („Alert: Missing Persons Unit“) bildet mit Noah Centineo ein hübsches, verhindertes Paar. Die Anziehungskraft der beiden ist jederzeit spürbar.

Fazit: „The Recruit“ mag nicht so kompromisslos und komplex sein wie „Jack Ryan“ und auch nicht so hyperspannend wie „The Night Agent“, aber Alexi Hawleys humorvoll-hartes Spionage-Drama hat einen faszinierenden Protagonisten, der die ansonsten grundsolide Netflix-Serie höchst unterhaltsam macht.

Streaming: „The Recruit – Staffel 1“ ist seit dem 16. Dezember 2022 im Abo auf Netflix abrufbar.

Wertung 3,5 / 5
Produktionsland

USA 2022

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