The Crown (Staffel 5)
Staffel 5 von „The Crown“ ist die bisher schwächste, aber sie enttäuscht keineswegs
Die fünfte Staffel der Netflix-Vorzeigeserie „The Crown“ hielt für die Produzenten die größten Herausforderungen bereit, seitdem die britischen Royals 2016 beim Streaminggiganten in den Ring gestiegen sind. Damit sind aber nicht nur die erschwerten Bedingungen des Drehens während der Corona-Pandemie gemeint, die zu Verzögerungen führten, vielmehr stellten sich Schöpfer und Drehbuchautor Peter Morgan eine Menge knifflige Fragen: Wie umgehen mit dem Tod von Prinzessin Diana? Darf man den künftigen König Charles III. moralisch in schlechtem Licht dastehen lassen? Oder die Kindheit der Prinzen William und Harry plakativ in einer Fernsehserie ausstellen? Morgan findet darauf unterschiedliche Antworten, hat aber trotz aller handwerklicher und ausstatterischer Brillanz Probleme gegen Bilder anzuarbeiten, die wir alle aus dieser Dekade nur zu präsent haben. So ist „The Crown“ immer noch herausragendes Fernsehen, aber der fünften Staffel fehlt der rote Faden und die große übergeordnete Erzählung.
Während Königin Elizabeth (Imelda Staunton) bei Premierminister John Major (Jonny Lee Miller) verzweifelt versucht durchzusetzen, dass ihre geliebte königliche Yacht auf Staatskosten renoviert wird, bemühen sich Prinz Charles (Dominic West) und Prinzessin Diana (Elizabeth Debicki) in ihren zweiten Flitterwochen in Italien medienwirksam, das Blatt zu wenden und ihrer schwer kriselnden Ehe wieder öffentlichen Glanz zu verleihen. Prinz Philip (Jonathan Pryce) wendet sich derweil seinem neuen Hobby, dem Kutschfahren, zu und nähert sich der Gräfin Penelope Knatchbull (Natascha McElhone) als Gefährtin in der Freizeit, die er kaum noch mit der Königin verbringt. Aber das britische Königshaus muss noch größere Erschütterungen hinnehmen, ein Brand vernichtet Teile von Schloss Windsor und in einem Skandalbuch, das mit Dianas heimlicher Unterstützung entstanden ist, kommen die Royals ganz schlecht weg. Derweil versucht der zwielichtige ägyptische Milliardär Mohamed Al-Fayed (Salim Daw) gemeinsam mit seinem Sohn Dodi (Khalid Abdalla), Einlass in die britische Oberschicht zu finden, indem er zunächst das Ritz Carlton und später das Harrod’s Kaufhaus aufkauft, während sich die Ehekrise zwischen Charles und Diana weiter zuspitzt und der öffentliche Druck auf das Königshaus wächst.
„The Crown“-Mastermind Peter Morgan ringt mit sich selbst
Man kann dieses Unbehagen in der fünften Staffel förmlich spüren, das „The Crown“-Mastermind und Historienspezialist Peter Morgan (Autor von „Die Queen“, „Frost/Nixon“ und „Rush“) umtreiben muss. Ließ er in den ersten Staffeln der jungen Königin Elizabeth noch viel Sympathie zukommen, ist er durch die royale Tristesse der 90er Jahre gezwungen, seine wohlige Komfortzone der oft schmeichelnden Darstellung der Royals zu verlassen. Selbst wenn immer mal wieder Beschwerden aus dem realen Königshaus über falsch oder verzerrt wiedergegebene Episoden kommen, ist Morgan den Windsors doch wohlgesonnen – bisher. Denn die Skandaldichte zu Hofe war nie höher als zu dieser Zeit. Der dauernde schrille Ehestreit zwischen Charles und Diana, der verheerende wie kostspielige Brand auf Schloss Windsor und das deutlich zu vernehmende Murren des britischen Volkes, das die Monarchie generell in Frage stellt – überall Brennpunkte!

Morgan drückt sich um den Tod von Lady Diana
Ein weiteres Problem: Je näher wir der Gegenwart kommen, desto weniger Gestaltungsspielraum und Freiheit haben die Macher. Denn eine Menge Menschen haben die Bilder aus der schweren Zeit der britischen Monarchie aus den 90er Jahren nur allzu präsent. War es das Staunen über diese intimen und detailversessenen Einblicke hinter die Kulissen des Königshauses, die vor allem in den frühen Staffeln faszinierten, fällt dieser Wow-Effekt schon seit Season 4 mit der Thatcher-Ära deutlich abgeschwächter aus. Diesem Fakt ist sich offenbar auch Peter Morgan bewusst und versucht es teilweise zu umgehen, indem er eben nicht immer die erwartbaren Bilder zeigt, sondern vielmehr das Drumherum. Andererseits macht er es sich zu leicht, indem er sich um den Tod von Prinzessin Diana und ihre medial ausgeschlachtete Beziehung zu Dodi Al-Fayed (bisher) drückt. Ob dieser Teil in der finalen sechsten Staffel, die wahrscheinlich das Königshaus in den 2000er Jahren zeigt, noch nachgeliefert wird, ist unklar. Aus Pietätsgründen lässt Morgan den jungen Prinz Harry ganz außen vor und zeigt nur dezent-zurückhaltende Einblicke in das Leben des jungen William (Senan West).
Der Konflikt von Charles und Diana steht im Mittelpunkt von Staffel 5
Staffel 5 konzentriert sich, wenn es denn überhaupt so etwas wie eine zentrale Erzählung gibt, auf das Drama von Charles und Diana. Dabei kommt das künftige Oberhaupt der Briten nicht gut weg. Linkisch versucht er zunächst, die Königin herauszudrängen, um selbst den Thron zu besteigen und auch seine Daueraffäre mit seiner Jugendliebe Camilla Parker Bowles (Olivia Williams) wirft kein gutes Licht auf seinen Charakter. Das spielt „The Wire“-Legende Dominic West überwiegend recht blutleer, seine Ähnlichkeit mit dem Vorbild beschränkt sich zudem auf die Frisur, sodass eine seltsame Distanz zu spüren ist.
Wenn man sich erst einmal an die unpassende Größe von 1,90-Meter-Frau Elizabeth Debicki („Tenet“, „The Night Manager“) gewöhnt hat, überzeugt die Australierin dagegen durchgehend als naive und stetig mit sich und ihrer Umwelt hadernde Diana. Debickis Gestik und Mimik gleichen der realen Diana Spencer auf den Punkt. Diesen schüchternen, oft leicht schräg nach unten gerichteten Blick hat Debicki perfekt drauf. Und so ist auch ein überraschender Frühstücksbesuch von Charles bei Diana in der von Christian Schwochow („Bad Banks“, „München: Im Angesicht des Krieges“) inszenierten neunten Episode „Ehepaar 31“ das schauspielerische und emotionale Highlight der Staffel, als die beiden verfeindeten Eheleute kurz vor dem Vollzug der Scheidung noch einmal zusammenkommen und zeitweise etwas Versöhnliches finden. Hier ist man als Zuschauer ganz nah dran und fühlt mit.

„Sickboy“ Jonny Lee Miller ist der Szenendieb
Imelda Staunton („Harry Potter und der Orden des Phönix“) hat im Gegensatz zu früheren Staffeln als Königin Elizabeth weniger zu tun und wirkt etwas isoliert, fast teilnahmslos. Während die Queen immer wieder auf ihre Funktion als „Souverän“ hinweist, steht diese Rolle in ihrer wörtlichen Bedeutung eher ihrem Mann Prinz Philip zu, der sich in der zweiten Reihe der Monarchie sein eigenes Leben aufgebaut und dort Spaß hat. Als Familienpatriarch hat er Autorität und Durchblick, während die restlichen Windsors mit all ihren Ehekrisen zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, als weitsichtig dem Land zu dienen. Als heimlicher Szenendieb der Staffel etabliert sich „Trainspotting“-Sickboy Jonny Lee Miller als Premierminister John Major. Miller verleiht seinem durch und durch integren Politiker eine beachtliche Würde und knüpft durch seine Charakterstärke eine Freundschaft mit der sonst so reservierten Königin. Das ist ungeheuer charmant und rührig.
Fazit: Jammern auf sehr hohem Niveau – die fünfte Staffel der britischen Royal-Serie „The Crown“ ist zwar die bisher schwächste, ist aber durch die gewohnt herausragenden Produktionswerte und einzelne Highlights immer noch starkes Fernsehen.
Streaming: „The Crown – Staffel 5“ ist seit dem 9. November 2022 im Abo auf Netflix abrufbar.
Wertung | 3,5 / 5 |
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Produktionsland | Großbritannien 2022 |
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