Whitney Houston: I Wanna Dance With Somebody
Ein wohlwollendes Porträt der größten Stimme ihrer Generation
Mehr als 200 Millionen verkaufte Tonträger, über 200 Gold-, Platin-, Silber- und Diamantschallplatten, sechs Grammys: Whitney Houston war eine der erfolgreichsten Solokünstlerinnen der Musikgeschichte. Die Tochter von Sängerin Cissy Houston, Cousine von Dionne Warwick und Patenkind von Soullegende Aretha Franklin bekam die Liebe zur Musik in die Wiege gelegt. Doch während sie nicht einen ihrer Hits selbst schrieb, hatte die 1963 in Newark, New Jersey geborene R&B-, Soul- und Pop-Sängerin eine begnadete Drei-Oktaven-Stimme – wahrscheinlich die beste ihrer Generation. Nach den Dokumentarfilmen „Whitney – Can I Be Me“ (2017) und „Whitney – Die wahre Geschichte einer Legende“ (2018) bringt Regisseurin Kasi Lemmons („Harriet“) das tragische Leben der 2012 elendig im Drogensumpf untergegangenen Diva als klassisches Biopic auf die große Leinwand. „Whitney Houston: I Wanna Dance With Somebody“ ist ein einnehmendes, aber berechenbares Musik-Drama, das die wichtigsten Stationen Houstons auf ihrem kometenhaften Aufstieg von einem Niemand auf den Olymp der Musikgeschichte und zurück zeigt. Die Formelhaftigkeit des Films fängt Hauptdarstellerin Naomi Ackie immer wieder mit ihrer herausragenden Performance auf.
Newark, 1980: Ihre Mutter Cissy Houston (Tamara Tunie) hat es als Sängerin der Sweet Inspiration zu bescheidener Bekanntheit gebracht, auch wenn ihr der große Durchbruch nie gelang. Mit eiserner musikalischer Disziplin erzieht sie ihre unbekümmerte Tochter Whitney (Naomi Ackie), die auch als Background-Sängerin für ihre Band singt. Als der einflussreiche Musikmanager Clive Davis (Stanley Tucci) den Teenager bei einem Auftritt als Ersatz für ihre Mutter entdeckt, beginnt der steile Weg nach oben. Ihr windiger Vater John (Clarke Peters) kümmert sich um die Finanzen, ihre ehrgeizige Mutter pusht sie musikalisch. 1983 unterzeichnet Whitney einen hochdotierten Vertrag bei Arista Records. Ihre intime Liebesbeziehung mit ihrer Mitbewohnerin Robyn Crawford (Nafessa Williams) ist besonders John ein Dorn im Auge. Beide werden dazu verdonnert, sich auch mit Männern zu verabreden. Ihr Debütalbum „Whitney“ kommt 1985 heraus und wird ein phänomenaler Erfolg. Während sich Triumph an Triumph reiht, reift Whitney zum Superstar heran und lernt den R&B-Sänger Bobby Brown (Ashton Sanders) kennen. 1992 heiraten die beiden. Doch die Ehe ist trotz gegenseitiger Liebe von Drogenkonsum und häuslicher Gewalt geprägt.
Ein Nachzügler auf der Welle der großen Künstler-Biopics
Auf der großen Welle der Musiker-Leinwandbiographien ist Kasi Lemmons mit ihrem Whitney-Houston-Film „I Wanna Dance With Somebody“ spät dran – vielleicht zu spät, um den Hype mitzunehmen. Der gigantische Erfolg des Freddie-Mercury-Biopics „Bohemian Rhapsody“ (2018) hat niemand so recht kommen sehen, zumal die Kritik zu dem Musik-Drama durchwachsen war – aber das Publikum liebte die süffige Ode an den charismatischen Queen-Sänger. Während die spacige Elton-John-Biographie „Rocketman“ (2019) noch solide lief, waren die Besucher- und Einspielzahlen für die Aretha-Franklin-Lebensschau „Respect“ (2021) schon mau. Aber der Star Whitney Houston ist sicherlich mainstreamtauglicher als Aretha Franklin, was übrigens auch ein Punkt ist, der der Sängerin besonders in der Frühphase ihrer Karriere vorgeworfen wurde. Ihre Musik sei zu weiß und zu eingänglich. Das thematisiert Lemmons auch kurz.

Naomi Ackie überragt im Best-Of-Mixtape aus dem Leben von Whitney Houston
Erzählerisch hat „Whitney Houston: I Wanna Dance With Somebody“ einen guten Groove, alles wirkt sehr flüssig und harmonisch. Dabei ist der Film wie ein „Best Of” angelegt. In oft langen Gesangspassagen huldigt die Regisseurin dem Ausnahmetalent und zelebriert ihre unglaubliche Stimme. Das ist klassischer Fanservice. Für die Songs wird zu 95 Prozent auf Whitney Houstons Originalstimme gesetzt, alles andere wäre auch vermessen. Aber die Art und Weise, wie Naomi Ackie („Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“) ihre Auftritte interpretiert, sind beeindruckend. Aber auch schauspielerisch ist Ackie klasse, perfekt spielt sie Houstons Manierismen nach und besitzt die Aura, ihre komplizierte Persönlichkeit erfahrbar zu machen – den Weg vom unschuldigen Teenager, der nur singen will, zum weltweiten Superstar, der irgendwann die Ansagen an seine Umwelt macht und dabei die Bodenhaftung verliert.
Dem dramatischen Teil fehlt die Substanz
Das alles ist von dem guten Ensemble tadellos gespielt, was man Lemmons und ihrem Drehbuchautor Anthony McCarten („Die zwei Päpste“) vorwerfen muss, ist die fehlende Tiefe in dieser Mixtape-Struktur. Die Konflikte sind da, werden aber nur angerissen. Warum es zu den großen Einschnitten und Wendungen kommt, ist oft nur zu erahnen. Da führen Whitney und Bobby Brown die Vorzeige-Promi-Ehe und plötzlich wird nahezu übergangslos hysterisch gestritten und die Drogen kreisen. Als Zuschauer kann man sich die Motive dafür zusammenreimen. Aber zu tief will die Regisseurin offenbar nicht im Drogensumpf wühlen. Ein sorgfältigerer Blick hinter die öffentlich bereits bekannte Geschichte mit mehr Substanz und Mut hätte hier gut getan. Eine berührende Szene zeigt exemplarisch, wie es hätte gehen können. Da bestellt ihr gütiger Musikmanager Clive Davis Whitney in seine Villa ein, um sie zu einem Drogenentzug zu bewegen – entgegen seiner Ansage, sich nie in ihr Privatleben einzumischen. Dieser Moment ist herzzerreißend, weil für jeden klar ist, dass genau an dieser Stelle der Anfang vom Ende Whitney Houstons beginnt. Überhaupt ist ihre harmonische Beziehung zu Davis das emotionale Herz des Films. Aber bei allem Elend ist „Whitney Houston: I Wanna Dance With Somebody“ immer noch ein inspirierender Film, der die Künstlerin Whitney Houston feiert – was sich in der Konzeption des Finales manifestiert. Hier zeigt die Filmemacherin einen legendären Auftritt bei den American Musik Awards im Jahr 1994 – anstatt Whitneys qualvolles Ende zu dokumentieren.

Der Hype um „Bodyguard“ köchelt nur auf Sparflamme
Während diese erzählerischen Makel zumindest für Fans verschmerzbar sind, bleibt aber eine kleine universelle Enttäuschung. 1992 war Whitney Houston auf dem absoluten Höhepunkt ihrer Karriere. Sie debütierte in dem Hollywood-Blockbuster „Bodyguard“ als Schauspielerin an der Seite von Kevin Costner, lieferte dabei einen der erfolgreichsten Soundtracks aller Zeiten und veröffentlichte mit dem Song „I Will Always Love You“ eine der meistverkauften Singles überhaupt. Doch die Szenen von den „Bodyguard“-Dreharbeiten sind kurz und oberflächlich. Vor der Aufgabe, Kevin Costner adäquat zu casten, kapitulierten die Kreativen. Über Bildschirme am Set ist der Original-Costner als Bodyguard Frank Farmer kurz zu sehen.
Fazit: „Whitney Houston: I Wanna Dance With Somebody“ ist vor allem für die Fans der Musiklegende gemacht. Auch wenn die düsteren Schattenseiten der Diva nicht ausgespart werden, liegt der Fokus des Biopic-Dramas doch auf der Huldigung des unfassbaren stimmlichen Talents von Whitney Houston – weniger auf dem tragischen Scheitern am gigantischen Ruhm, der sie nach und nach vernichtete. Bis zum bitteren Ende!
Deutscher Kinostart von „Whitney Houston: I Wanna Dance With Somebody“: 22. Dezember 2022.
Seit 16. März 2023 auf Blu-ray & DVD erhältlich.
Wertung | 3 / 5 |
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Produktionsland | USA 2022 |
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