The Menu

2022108 minab 16, ,

Bittere Gesellschaftskritik als unberechenbare Horror-Satire

Berechenbarkeit und Formelhaftigkeit sind der Todfeind der Kreativität – doch andererseits auch die Grundlage für kommerziellen Erfolg in Hollywood. Wie erfrischend ist es da, wenn jemand wie „Succession“-Regisseur Mark Mylod aus der üblichen erzählerischen Schablone ausbricht und dem Publikum etwas Wildes, Ursprüngliches und komplett Unvorhersehbares als höllischen Unterhaltungscocktail serviert. Seine schwarzhumorige Horror-Satire „The Menu“ ist unheimlich elegant gefilmt, verbreitet aber gleichzeitig ein permanentes Gefühl von Bedrohung und Unbehagen, wenn die Protagonisten bis mindestens zur Hälfte der Spielzeit im Unklaren gelassen werden, was sich überhaupt abspielt.

Mehr als 1.000 Dollar pro Person lässt es sich der junge, schnöselige Gourmet Tyler (Nicholas Hoult) kosten, als er seine neue Freundin Margot (Anya Taylor-Joy) auf einen megaexklusiven Feinschmecker-Trip auf eine nahe gelegene Insel vor der US-Ostküste einlädt. Im Restaurant Hawthorne serviert der strenge Küchen-Maestro Julian Slowik (Ralph Fiennes) feinste Gaumenkreationen für ein handverlesenes Publikum. Börsen-Hotshots (Mark St. Cyr, Arturo Castro, Rob Yang), ein mächtiger CEO (Reed Birney), eine gefürchtete Restaurant-Kritikerin (Janet McTeer) und ein abgehalfterter Filmstar (John Leguizamo) sind unter den Gästen, die von der Ernsthaftigkeit, mit der Maître Slowik seine Ess-Kunst serviert, überrascht sind. Als Margot einen Gang auslassen will, ist nicht nur ihr Freund Tyler verärgert – Slowik nimmt es persönlich.

Ein Film mit mehreren doppelten Böden

Je weniger Details man vor dem Anschauen über „The Menu“ weiß, desto besser. Aber wer von Anfang an genau hinsieht, kann natürlich den einen oder anderen dezenten Hinweis auf das Kommende erhaschen. So ist zu Beginn eine sogenannte Judasziege zu sehen, die ihre Artgenossen auf dem Weg zur Schlachtbank ruhig halten soll. Was es mit dem abgeschiedenen Eiland auf sich hat, erfährt man häppchenweise – während Regisseur Mylod seinen Zuschauerinnen und Zuschauern einen doppelten Boden nach dem anderen präsentiert. Wobei man – wie die Protagonisten – nie sicher sein darf, ob das Gesehene tatsächlich ernst gemeinte Apokalypse oder nur Teil einer gigantischen Show ist. Stellenweise wirkt „The Menu“ wie eine grimmige Variante von David Finchers grandiosem Mindfuck-Thriller „The Game“, der das Spiel zwischen Wahn und Wirklichkeit bis in die Schlussszene trieb.

Ralph Fiennes und Anya Taylor-Joy in „The Menu“ (© Disney)

Ralph Fiennes jagt allen Angst ein

Aber der hohe Unterhaltungswert basiert nicht nur auf dem Unberechenbaren, es ist auch diese förmlich physisch spürbare bedrohliche Atmosphäre, die über dem gesamten Film schwebt. In einem Ritual für den Beginn eines neues Ganges klatscht Chef Slowik so überraschend wie kräftig in die Hände, sodass die Gäste (wie auch die Zuschauer) kollektiv zusammenzucken. Ralph Fiennes („Skyfall“) ist meisterhaft als Küchen-Diktator, der mit ruhiger Stimme meist freundlich spricht, aber gleichzeitig eine unglaubliche Strenge ausstrahlt. „The Menu“ ist ein gnadenloser Film. Das wird auch möglich, weil die Figuren fast durch die Bank weg hochgradig unsympathisch sind – aber Mylod lässt sich mit der undurchsichtigen Margot, die von „Damengambit“-Star Anya Taylor-Joy als unbequemer Freigeist gespielt wird, emotional ein Schlupfloch, um den Kontakt zum Publikum nicht zu verlieren.

Fazit: Mark Mylods schwarze Komödie „The Menu“ mag nicht ganz den brutalen Punch wie Ari Asters Meisterwerk „Midsommar“ haben und auch nicht übermäßig subtil sein, begeistert aber als stark gefilmte, unterhaltsame Horror-Satire, die bittere Gesellschaftskritik spielerisch mit krachendem Genrekino zusammenbringt.

Deutscher Kinostart von „The Menu“: 17. November 2022.

Wertung 4 / 5
Produktionsland

USA 2022

Cast & Crew

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