The Creator

Ein visuelles Science-Fiction-Meisterwerk, das inhaltlich nicht ganz Schritt halten kann

Das Jahr 2023 könnte als Wendepunkt in Hollywoods Gesamtstrategie in die Geschichte eingehen. Das DCU („The Flash“) und sogar das MCU („Ant-Man And The Wasp: Quantumania“) schwächeln, superteure Franchise-Blockbuster („Indiana Jones und das Rad des Schicksals“) scheitern an den Kinokassen, während die beiden größten Überraschungserfolge des Jahres, „Barbie“ und „Oppenheimer“, frisches, innovatives Kino mit originellen Stoffen geradezu zelebrieren. Vor diesem Hintergrund ist das Comeback von Regisseur Gareth Edwards („Godzilla“) sieben Jahre nach „Rogue One: A Star Wars Story“ wie gemalt für einen weiteren Erfolg. Denn sein groß gedachter Science-Fiction-Action-Thriller „The Creator“ hat auf dem Papier alles, was es braucht, um die Massen zu begeistern. Dank spektakulärer Sets und überragender CGI ist „The Creator“ der schönste und visuell aufregendste Film des Jahres. Diese Extraklasse kann die Sci-Fi-Dystopie inhaltlich jedoch nicht ganz halten und findet nicht immer emotionalen Kontakt zum Publikum – was sich auch negativ am Box Office bemerkbar machte. Der philosophische Unterbau hat trotz starker Ansätze am Ende nicht die Substanz für ein Meisterwerk. So bleibt „The Creator“ ein starker Film mit schlichtweg sensationeller Optik.

2065: Künstliche Intelligenzen haben sich zu bewussten Wesen entwickelt. Doch vor zehn Jahren zündeten die KI-Geschöpfe, die bis dahin den Menschen dienten, in Los Angeles eine Atombombe, die einer Million Seelen das Leben kostete. Seitdem führt der Westen einen Krieg gegen die KI. Die Welt ist in Blöcke aufgeteilt, die westliche Hemisphäre wird von Menschen kontrolliert, die künstlichen Intelligenzen haben sich in Asien verschanzt. Der ehemalige Soldat Joshua (John David Washington) verlor vor fünf Jahren bei einer Infiltrationsmission in feindlichem Gebiet seine Frau Maya (Gemma Chan), die bei einem Angriff der Alliierten getötet wurde. Obwohl er sich desillusioniert aus der Spezialeinheit zurückgezogen hatte, wird er erneut rekrutiert, um den mysteriösen „Schöpfer“ zu finden, der den Alliierten vor Jahren entkommen ist, um eine geheimnisvolle Waffe zu neutralisieren, die den Krieg zugunsten der künstlichen Intelligenzen entscheiden könnte. Überzeugt von einem Video, das zeigt, dass seine Frau Maya noch am Leben sein könnte und sich auf feindlichem Gebiet befindet, führt Joshua ein Spezialteam an, das in das feindliche Hauptquartier eindringt.

John David Washington in „The Creator“ (© Disney)

Mensch gegen Maschine als archaischer Kampf um die Zivilisation

„The Creator“ beginnt mit einem ähnlichen Konzept wie James Camerons „Terminator 2“, in dem ein Konflikt zwischen Mensch und künstlicher Intelligenz als düstere Dystopie gezeichnet wird. Der Unterschied liegt jedoch in der Charakterisierung des „Feindes“. Hier haben wir es nicht mit einer einzigen kollektiven künstlichen Intelligenz zu tun, sondern mit einer Vielzahl von individuellen Einheiten, die sich ausdifferenziert und entwickelt haben und die sich wie eine echte soziale Gruppe organisiert – ähnlich wie in Ridley Scotts Meisterwerk „Blade Runner“. Die KI-Wesen werden als echte Charaktere dargestellt, die über Selbstbestimmung verfügen und gleichberechtigt mit den Menschen in Konflikt treten. Der Krieg wird als Tragödie im Kleinen illustriert – mit persönlichen Verlusten wie dem des Protagonisten Joshua, der seine Frau Maya verloren hat – und dann auf das große Ganze potenziert. In diesem Zusammenhang und in der späteren Problematisierung der Fronten in der Handlung greift der Kriegsfilm „The Creator“ durchaus Themen der antimilitaristischen Science-Fiction von Cameron bis Denis Villeneuve („Arrival“) auf.

„The Creator“ (© Disney)

Vom Kampf der Welten zur intimen Erzählung

Die Blockbuster-Dimension des Films wird im Laufe der Handlung durch eine intimere Ebene ergänzt, die die Beziehung zwischen Joshua und dem kleinen Androiden-Kind Alphie (Newcomerin Madeleine Yuna Voyles), das er zerstören soll, allmählich vertieft und eine zumindest komplexere Beziehung als zuvor entstehen lässt. Im dritten Akt wird „The Creator“ zur Reise eines Mannes und eines Mädchens durch ein Kriegsgebiet und zur Erforschung des Bewusstseins des Protagonisten, der sich mit seinen Erinnerungen verbindet und gleichzeitig seine Überzeugungen in Frage stellt. Edwards erinnert hier ein wenig an seinen atmosphärisch außergewöhnlichen Low-Budget-Durchbruch „Monsters“ (2010) – nur in gigantischeren Kulissen. Die atemberaubenden, in Thailand gedrehten Set Pieces sind ein Traum, das World Building eine Wucht. Hier ist „The Creator“ schlicht meisterhaft – und das alles mit einem überschaubaren Budget von 80 Millionen Dollar. Inszenatorisch leistet Edwards Großartiges.

Bekannte Motive und frische Ideen

Die filmischen Bezüge sind offensichtlich, aber Edwards hat das Verdienst, seinen eigenen Weg im Blockbuster-Genre zu gehen, ohne Angst davor zu haben, sehr unterschiedliche Stimmungen zu vermischen. Er schlägt einen melodramatischen Ton an, der bisweilen ans Pathetische grenzt und in anderen Händen übertrieben wirken könnte. Der Filmemacher konzentriert sich einerseits auf große Themen wie den Fortbestand der Zivilisation und erdet diese Auseinandersetzung durch die Schilderung des persönlichen Schicksals des Soldaten Joshua, der im Kampf um die Macht das Zünglein an der Waage ist, seinen Antrieb aber aus seiner eigenen Befindlichkeit bezieht. Der charismatische Ex-Footballer John David Washington („Tenet“) spielt diesen von den Welt enttäuschten Joshua als klassischen Antihelden, der von persönlicher Pein getrieben wird.

Man kann dem Regisseur vorwerfen, dass er einerseits bekannte Pfade beschreitet, indem er die Sorge um die Gesellschaft der Zukunft einfließen lässt. Die narrative Entwicklung bis zur Hälfte des Films ist mit all ihren vertiefenden Rückblenden recht vorhersehbar. Und trotz der Individualisierung der KI-Kreaturen entstehen kaum komplexe Charaktere. Manchmal wirkt „The Creator“ bei all dem transportierten Weltschmerz zu flach, selbst wenn Edwards und sein Co-Drehbuchautor Chris Weitz („Rogue One: A Star Wars Story“, „About A Boy“) mittendrin fast beiläufig eine krachende radikale Wendung einbauen, die den Zuschauer zum Umdenken zwingt. Auf der anderen Seite ist da aber auch diese moderne Sensibilität, die aktuelle Diskussionsthemen wie künstliche Intelligenz und die ethischen Implikationen ihres Einsatzes aufgreift. Das spendet einige Substanz, die manchmal an genannten Stellen fehlt.

„The Creator“ (© Disney)

Klassisches Kino als großes Epos

Vor allem aber ist „The Creator“ klassisches Kino, das trotz seiner vielfältigen Referenzen mit einer (manchmal vielleicht zu) klaren und kraftvollen Erzählweise unterhält. Er bietet dem Zuschauer eine Reise mit der Kraft eines Hollywood-Epos und einer melodramatischen Tiefe, die mit jeder Einstellung zunimmt. Eine Reise, die, obwohl sie bereits Gesagtes transportiert, die Dringlichkeit dieser Aussagen vermittelt.

Fazit: „The Creator“ ist ein überwiegend beeindruckender Science-Fiction-Kriegsfilm, in dem es Regisseur Gareth Edwards wagt, klassische Elemente des Genres mit modernen Themen zu verbinden. Er entführt uns in eine Welt, in der künstliche Intelligenzen und Menschen in einen existenziellen Konflikt geraten und erzählt diese Geschichte mit Action, Melodrama und einem Hauch von Roadmovie.

Deutscher Kinostart von „The Creator“: 28. September 2023.

Cast & Crew

John David Washington

Sgt. Joshua Taylor

Madeleine Yuna Voyles

Alpha-O / Alfie

Gemma Chan

Maya Fey-Taylor

Allison Janney

Colonel Howell

Ralph Ineson

General Andrews

Amar Chadha-Patel

Omni / Sek-on / Sergeant Bui

Robbie Tann

Shipley

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