Sound Of Freedom
Solider hitzig-kontrovers-hitzig diskutierten Action-Thriller, dessen QAnon-Nähe von außen entsteht
Es war viel los im US-Blockbuster-Sommer – während „Barbie“ und „Oppenheimer“ überraschend mit gigantischen Triumphen dominierten, riesige Franchises wie „Fast & Furious“ oder „Mission: Impossible“ Probleme hatten und „Indiana Jones“ gar völlig unter die Räder kam, schrieb Regisseur Alejandro Monteverdes mit seinem (mehr oder weniger) auf wahren Begebenheiten beruhenden Menschenhandel-Thriller „Sound Of Freedom“ die bizarrste Episode des Jahres und zelebrierte einen märchenhaften Erfolg, der für jedes Drehbuch zu kitschig gewesen wäre. Nach fünf Jahren im Giftschrank Hollywoods hatte der 14,5 Millionen Dollar teure Film an den US-Kinokassen mit 184 Millionen Dollar einen sensationellen Auftritt! Nachdem Disney die Rechte nach der Übernahme von Fox ungewollt in die Hände gefallen waren, rümpfte man beim Maus-Konzern pikiert die Nase, auch Netflix und Amazon wollten sich an dem heiklen Thema Kindesmissbrauch nicht die Finger verbrennen. Während man Regisseur Monteverdes den hehren Ansatz, auf dieses globale Problem aufmerksam zu machen, zugutehalten kann, eskalierte die Diskussion erst hoffnungslos, als Hauptdarsteller Jim Caviezel „Sound Of Freedom“ auf seinem persönlichen Kreuzzug in die Nähe von QAnon-Verschwörungstheorien rückte. Denn bis zum Epilog, in dem Caviezel verbal freidreht und „Tech-Milliardäre, Abgeordnete und Drogenkartelle“ des gedeckten Menschenhandels bezichtigt, ist „Sound Of Freedom“ ein simpler, atmosphärisch dichter, zwar manipulativ inszenierter, aber keineswegs reißerischer Action-Thriller, der den Kampf gegen Pädophilenringe emotional illustriert.
Tim Ballard (Jim Caviezel) ist Spezialagent der Homeland Security der USA im kalifornischen Calexico. Der Vater von sechs Kindern klärt Verbrechen rund um Kinderpornografie und Menschenhandel auf. 288 Pädophile hat er bereits verhaftet – eine stolze Bilanz, wie er selbst findet. Doch ein besonderer Fall rüttelt an seinen Überzeugungen. Als er den sexuell missbrauchten achtjährigen Miguel (Lucás Ávila) aus Honduras an der amerikanisch-mexikanischen Grenze aus den Händen eines Pädophilen befreit, wird klar, dass sich seine elfjährige Schwester Rocío (Cristal Aparicio) noch immer in den Fängen der Menschenhändler befindet und mutmaßlich schwere Qualen erleiden muss. Zwar darf Ballard im Auftrag der Behörde nach Cartagena in Kolumbien reisen, weil er das Mädchen aufgrund von Hinweisen dort vermutet. Als die Ermittlungen erfolglos bleiben und sein Chef Frost (Kurt Fuller) ihn zurückbeordert, kündigt Ballard mit der Unterstützung seiner Frau Katharine (Mira Sorvino) und setzt seinen Kreuzzug auf eigene Faust fort. Dabei verbündet er sich mit dem schillernden Ex-Drogendealer und heutigen Menschenretter Vampiro (Bill Camp) und dem idealistischen kolumbianischen Polizisten Jorge (Javier Godino), um den Menschenhändlerring auffliegen zu lassen und Rocío zu finden.

„Sound Of Freedom“ löst erbitterten Kulturkampf in den USA aus
Mit „Sound Of Freedom“ hat der mexikanische Filmemacher Alejandro Monteverdes („Little Boy“) in ein Wespennest gestochen und eine brisante Kulturdebatte in den USA ausgelöst. Die Finanzierung des von christlich-fundamentalistischen Werten getragenen Thrillers wird mit der Alt-Right-Bewegung und QAnon in Verbindung gebracht – eine Behauptung, die nur teilweise zutrifft. Tatsächlich hat die auf christliche Inhalte spezialisierte Produktionsfirma Angel Studios („After Death“), die die Rechte von Disney gekauft hatte, nach gescheiterten Verhandlungen mit den großen Kino- und Streaming-Playern eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, um den Film fünf Jahre nach den Dreharbeiten doch noch in die Kinos zu bringen. Auch der ultrakonservative mexikanische Aktivist, Schauspieler und Sänger Eduardo Verástegui hatte als Produzent und Nebendarsteller seine Hände im Spiel, Mel Gibson trat als ausführender Produzent auf. Tritt man jedoch neutral einen Schritt zurück und betrachtet abseits des ganzen unappetitlichen Getöses nur den tatsächlichen Film, fällt die Aufregung weit geringer aus.
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Der Kampf des puritanischen Amerikas gegen das Böse
Laut des puritanischen Amerikas der Kolonialzeit lauerte da draußen mit den amerikanischen Ureinwohnern das Böse, und die Verfechter des Glaubens mussten alles tun, um es zu besiegen. Die Indianer überfielen Siedler, massakrierten sie und raubten Menschen – so die Legende. Die Puritaner der Gegenwart sehen in „Sound Of Freedom“ eine Art Neuinterpretation dieses Narrativs, in der böse Menschen Kinder entführen und ihre Unschuld zerstören. Doch ging es früher um Überlebenswillen ist die Motivation für diese abscheulichen Taten heute eher die Geldgier. Die Erzkonservativen preisen Monteverdes Film als Meisterwerk und behaupten, er sei einzigartig und werde die Welt verändern, was vermutlich ein Irrtum ist – schließlich macht Gerard Butler schon sein ganzes Leben lang ähnliche Filme, ohne je ernst genommen zu werden.

Genau das ist das Tragische an „Sound Of Freedom“: Wer um Himmels willen kann schon gegen die Absicht sein, dem Verkauf von Kindern als Sexsklaven den Kampf anzusagen?! Und bei der öffentlichen Kritik am Film geht es nur zum Teil um die Wahl der Mittel. Nach Recherchen von „Vice News“ hat der echte Tim Ballard, dessen Leben hier verfilmt wird, bei der Schilderung seiner Heldentaten ordentlich übertrieben – was bei einem Biopic in gewissem Rahmen völlig normal ist. Das Ausmaß des von ihm servierten Seemannsgarnes kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, was aber auch keine wirkliche Rolle spielt – es ist ein Spielfilm. Es steht aber auch der Vorwurf im Raum, dass „Sound Of Freedom“ durch seine Simplizität die Problematik des Kinderhandels verharmlost.
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Ein erstaunlich schlichter Thriller
Das Werk selbst ist strukturell und dramaturgisch erstaunlich einfach und schlicht inszeniert. Spannung entsteht weniger durch auf die Spitze getriebene Thrillerelemente als durch die emotionalen Daumenschrauben, die Monteverde seinem Publikum unerbittlich anlegt. Es gibt wenig dramaturgische Krücken oder Variationen, die Ballard von seiner Mission abhalten – und schon gar nicht die Klischeebösewichte, die jedoch keine große Hilfe sind, um Komplexität zu erzeugen. Dabei spielt Jim Caviezel („Die Passion Christi“) diesen modernen Gotteskrieger mit einem nicht ignorierbaren gerüttelt Maß an Fanatismus, der dem erzkonservativen Schauspieler mit bedenklicher QAnon-Nähe nicht selten aus dem Gesicht springt. Dieser zweifellos überzeichnete Held Tim Ballard ist der klassische White Savior.

Bei der Darstellung der gequälten Kinder, die den geifernden Pädophilen zur Verfügung gestellt werden, hält sich der Regisseur wohltuend zurück und verfällt nicht in Sensationsgier. Damit verweigert er dem Zuschauer die Rolle des Voyeurs und schafft stattdessen teils packende und atmosphärisch dichte Sequenzen voller Spannung im kolumbianischen Dschungel, die „Sound Of Freedom“ dann zu einem ordentlichen Action-Thriller machen – auch wenn Monteverde melodramatisch kräftig aufdreht und auf der Tonspur manchmal unnötig sakral wird. Hier hat der Film eine hohe Intensität, die trotz einiger Schwächen nicht zu übersehen ist.
Fazit: Mit dem vor allem in den USA kontrovers diskutierten biographischen Menschenhandel-Thriller „Sound Of Freedom“ ist Regisseur Alejandro Monteverde ein Indie-Blockbuster gelungen, der inhaltlich weit weniger heiß konsumiert werden sollte, als er im Vorfeld hochgejazzt wurde. Die berüchtigte Verbindung zu QAnon ergibt sich eher aus den Nebengeräuschen der beteiligten Personen als aus der Handlung des Films – keine leichte Kost, aber sicher auch kein Skandalfilm.
Deutscher Kinostart von „Sound Of Freedom“: 8. November 2023.
Wertung | 3 / 5 |
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Produktionsland | USA/Mexiko 2023 |
Cast & Crew
Jim Caviezel
Bill Camp
Javier Godino
Eduardo Verástegui
Kurt Fuller
Cristal Aparicio
Lucás Ávila
Mira Sorvino
José Zúñiga
Gary Basaraba
Yessica Borroto
Kris Avedisian
Regie
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