Plane
Anachronistischer B-Movie-Actioner, der höllisch gut unterhält
An einem grauen und kalten Januartag des Jahres 2009 gelang dem Piloten Chesley B. „Sully“ Sullenburger mit der Notwasserung eines Airbus A320 auf dem Hudson River in New York die wohl kühnste und spektakulärste Notlandung der Luftfahrtgeschichte – von Clint Eastwood in seinem Katastrophen-Drama „Sully“ (2016) eindrucksvoll verfilmt. Man stelle sich nun vor, Sully würde das gleiche Kunststück auf einer abgelegenen philippinischen Insel wiederholen, die von waffenstarrenden martialischen Kämpfern kontrolliert wird, die der Pilot anschließend fast im Alleingang um die Ecke bringen muss, damit seine Passagiere nachhaltig überleben. Das klingt absurd, ist es auch und landet doch auf der großen Leinwand. Denn Regisseur Jean-François Richet hat so viel Herzblut und Adrenalin in seinen generisch konstruierten Action-Thriller „Plane“ gesteckt, dass man als Zuschauer einfach nicht mehr loskommt und fast zwei Stunden unter höchster Anspannung in die Kinositze gepresst wird. Und Actionstar Gerard Butler war lange nicht mehr so gut, denn er passt perfekt zu diesem politisch wenig korrekten B-Movie-Reißer mit dem Charme einer abgesägten Schrotflinte.
Der Verkehrspilot und Witwer Brodie Torrance (Gerard Butler) ist ein liebevoller Vater seiner Teenager-Tochter Daniela (Haleigh Hekking) und grundsätzlich ein netter Kerl – allerdings auch mit einer kurzen Zündschnur. Deshalb fliegt der Top-Pilot für die zweitklassige Fluggesellschaft Trailblazer Linienmaschinen in Asien. Auf einem Neujahrsflug von Singapur nach Tokio mit nur 14 Passagieren an Bord geraten Brodie und sein junger Co-Pilot Samuel Dele (Yoson An) in einen fürchterlichen Gewittersturm. Als sie das tosende Unwetter überfliegen wollen, schlägt ein Blitz in die Maschine ein und legt die gesamte Stromversorgung lahm. Zehn Minuten, die die Notbatterien noch halten, bleiben Brodie, um die angeschlagene Maschine irgendwo notzulanden. Nach einem wahren Husarenritt gelingt es dem erfahrenen Piloten tatsächlich, das Flugzeug auf der abgelegenen philippinischen Insel Jolo im Dschungel zu landen. Doch der wahre Albtraum beginnt erst jetzt. Das Eiland wird von brutalen einheimischen Separatisten kontrolliert, die sich auf die Entführung von Ausländern spezialisiert haben, um Lösegeld zu erpressen. Als Brodie und der vom FBI mittransportierte Häftling Louis Gaspare (Mike Coulter) die Gegend erkunden, um Hilfe zu holen, stoßen sie schnell auf die Schergen des Gangsterbosses Datu Junmar (Evan Dane Taylor). In der New Yorker Zentrale von Trailblazer organisiert derweil Airline-„Fixer“ Scarsdale (Tony Goldwyn) unkonventionelle Hilfe: Er schickt eine Söldnertruppe los, um mit den Terroristen klarzukommen.

Budget um die Hälfte gekürzt
Der Kinostart von „Plane“ ist aus mehreren Gründen ein kleines Wunder. Abgesehen davon, dass der anachronistische B-Actioner mit seiner hanebüchenen Story direkt aus den 80er und 90er Jahren zu stammen scheint – aus der Zeit von „Einsame Entscheidung“, „Passagier 57“ oder „Turbulence“ – ist er heute prädestiniert für eine Vermarktung direkt auf VoD. Doch „Plane“ hat seinen beschwerlichen Weg ins Kino gefunden und wird dort am Ende Gewinn einspielen. Zusätzlich gebeutelt von den Studioeinsparungen der Corona-Pandemie, schrumpfte das Budget von ursprünglich 50 Millionen Dollar auf 25 Millionen, was man dem Film auch ansieht. Doch genau hier beginnt die Erfolgsgeschichte.
Regisseur Richet zeigt Einfallsreichtum
Regisseur Jean-François Richet („Public Enemy No. 1“, „Blood Father“) hat sich offenbar gedacht, bevor er schlechte Stunts von abstürzenden Flugzeugen zeigt, zeigt er lieber (fast) gar keine. Und gerade hier offenbart sich Richets inszenatorische Klasse, denn er filmt mit infernalischer Dynamik quasi um den Beinahe-Absturz herum und arbeitet mit vielen flott geschnittenen Nahaufnahmen. So spart er sich die teuren Money Shots, die in jeder Big-Budget-Produktion zu sehen gewesen wären. Deshalb bleibt „Plane“ sehr unmittelbar, sehr nah dran und ist dabei verdammt charmant, weil man genau sieht, wie ein Filmemacher kämpft und sein kleines Budget bis zum Anschlag ausreizt. Wenn zum Beispiel später die Söldner auf der Insel per Fallschirmsprung angekündigt werden, lässt Richet diesen optisch spektakulären Teil einfach weg – sie sind sofort am Boden und beginnen, die Bösewichte niederzumähen.

Starkes Trio: Gerard Butler, Mike Colter und Tony Goldwyn
Gerard Butler, der sich als Actionstar der zweiten Reihe etabliert hat, zeigt das gleiche Engagement. Doch im Gegensatz zu seinem lustlosen Auftritt in dem Big-Budget-Flop „Geostorm“ (2017) oder seinem routinierten Spiel in der höchst durchschnittlichen „Fallen“-Reihe („Olympus Has Fallen“, „London Has Fallen“, „Angel Has Fallen“) zeigt sich Butler hier so lebendig wie zuletzt im packenden Katastrophen-Thriller „Greenland“ (2020). Natürlich variiert er als abgerockter Muskel-Pilot mit Armee-Erfahrung nur altbekannte Rollenmuster, aber man hat immer das Gefühl, dass Butler alles gibt. Wenn er im Film schwitzt und kaputt aussieht (gedreht wurde in Puerto Rico statt auf den Philippinen), dann ist das echt. Sein herzensguter Brodie Torrance ist moralischer Kompass und Vollprofi zugleich, der in der größten Krise über sich hinauswächst. Dabei harmoniert der Schotte hervorragend mit seinem Sidekick Mike Colter („Luke Cage“), der als verurteilter Mörder gemeinsam mit Brodie die Kohlen aus dem Feuer holt. Während die Charaktere der Passagiere nur die üblichen Stereotypen bieten, macht Tony Goldwyn („The Last Samurai“) als knallharter „Fixer“ der Airline richtig Spaß. Dabei inszeniert Richet seine krude Story so geradlinig, dass man sich nicht um die Absurditäten der Handlung kümmert, sondern gebannt auf die nächste Actionwelle wartet und mitfiebert.
Fazit: Jean-François Richets B-Movie-Actioner „Plane“ passt so gar nicht in unsere heutige Zeit und ist vielleicht auch deshalb so höllisch unterhaltsam. Hier passiert nichts Überraschendes, aber das so mitreißend und adrenalingetrieben, dass dieser simple Reißer als „Guilty Pleasure“ jeden Cent des Kinoeintritts wert ist.
Deutscher Kinostart von „Plane“: 2. Februar 2023.
Wertung | 3,5 / 5 |
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Produktionsland | Großbritannien/USA 2023 |
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