Missing

2023111 minab 12,

Hochspannender Desktop-Thriller mit hanebüchener Auflösung

Seit einigen Jahren hat sich in Hollywood ein neues, modernes Filmgenre eingeschlichen: der Desktop-Thriller. Das bedeutet: Die Handlung spielt sich komplett auf dem Bildschirm eines Computers, Laptops oder Smartphones ab. Dabei werden verschiedene digitale Medien wie E-Mails, Textnachrichten, Social-Media-Profile, Kameras oder Webcams genutzt, um die Geschichte zu erzählen. Diese Art der Filmproduktion ermöglicht es den Filmemachern, kostengünstiger zu drehen, ohne auf eine filmreife Story und entsprechende schauspielerische Leistungen verzichten zu müssen. So kostete der Entführungsthriller „Missing“ von Nicholas D. Johnson und Will Merrick schlappe sieben Millionen Dollar und spielte allein in Nordamerika 32,5 Millionen ein. So innovativ diese Erzählweise ist, weil sie ganz neue Möglichkeiten eröffnet, so sehr schränkt sie auch die Bildgewalt dieses Whodunits an manchen Stellen ein. Unterm Strich bleibt ein spannender, solide inszenierter Thriller, der konventionell gedreht vielleicht noch besser geworden wäre.

Die 18-jährige June (Storm Reid) lebt mit ihrer alleinerziehenden und übervorsichtigen Mutter Grace (Nia Long) in einem Apartment in Los Angeles. Ihren Vater James (Tim Griffin) hat June früh verloren. Sie freut sich, als ihre Mutter mit ihrem neuen Freund Kevin (Ken Leung) in den Urlaub nach Cartagena in Kolumbien fährt. So kann sie eine Woche lang mit ihrer besten Freundin Veena (Megan Suri) feiern. Als sie Grace und Kevin nach den Ferien am Flughafen abholen will, tauchen die beiden nicht auf. Besorgt kontaktiert June die US-Botschaft in Kolumbien und landet bei FBI-Agent Park (Daniel Henney). Der kann nur feststellen, dass Junes Mutter offenbar Opfer einer Entführung geworden ist. Erster Verdächtiger ist Kevin, der, wie sich herausstellt, als Betrüger vorbestraft ist. Vor Ort engagiert June den Gelegenheitsjobber Javi (Joaquim de Almeida), der ihr bei den Ermittlungen hilft. Und auch Graces Anwältin Heather (Amy Landecker) mischt mit. Von Los Angeles aus setzt June alles daran, ihre Mutter zu finden.

Storm Reid in „MIssing“ (© Sony Pictures)

„Missing“ folgt „Searching“ und „Run“

„Missing“ ist eine Fortsetzung im Geiste von „Searching“ (2018) und „Run“, denn die Regiedebütanten Nicholas D. Johnson und Will Merrick haben Aneesh Chagantys Desktop-Thriller „Searching“ und auch „Run“ (2020) geschnitten, während Chaganty (zusammen mit Sev Ohanian) die Story zu Johnsons und Merricks Drehbuch zu „Missing“ beisteuerte. War diese Art des Erzählens für Kinofilme wie „Unfriend“ (2014) oder eben „Searching“ noch neu, hat man sich inzwischen an diese Form gewöhnt. Doch so filigran wie Johnson und Merrick agierte noch niemand mit all den sich überlappenden Screens auf diversen Devices, die die Protagonistin June so famos zu kombinieren weiß. Sie arbeitet wie eine versierte Privatdetektivin mit einigen Jahrzehnten Berufserfahrung, aber ihre gedankliche Schnelligkeit am Bildschirm verleiht „Missing“ eine straffe Dynamik, die dem Film gut tut.

Ken Leung und Nia Long in „MIssing“ (© Sony Pictures)

Starke Storm Reid kaschiert einige Schwächen

Diese visuelle Selbstbeschränkung funktioniert über weite Strecken erstaunlich gut, stößt aber vor allem im letzten Akt an ihre Grenzen, wo es nicht wenige Szenen gibt, die aus der Desktop-Perspektive irgendwelcher Überwachungskameras sehr bemüht wirken und in traditioneller Sichtweise sicher besser rübergekommen wären. Das liegt auch daran, dass die Story von „Missing“ mit ihren spaßigen, wilden Twists gegen Ende immer hanebüchener wird und die Motive zweier zentraler Figuren äußerst fragwürdig sind. Dem steht das engagierte und sehr authentische Spiel von Storm Reid („Euphoria“) gegenüber, die virtuos alle Fäden in der Hand hält und die Figuren im Spiel hält.

Fazit: Nicholas D. Johnsons und Will Merricks Entführungsthriller „Missing“ ist technisch sicherlich der bisher ausgereifteste Desktop-Thriller – leider kippt die auf Hochspannung getrimmte Inszenierung im letzten Akt in allerlei Unglaubwürdigkeiten um, so dass am Ende ein unterhaltsamer Bildschirmkrimi bleibt, bei dem man das Gefühl hat, es wäre mehr drin gewesen.

Deutscher Kinostart von „Missing“: 23. Februar 2023.

Wertung 3 / 5
Produktionsland

USA 2023

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