Knock At The Cabin

2023105 minab 16, , ,

Kammerspielartiger Mystery-Horror-Thriller, der sich spektakulär öffnet

Mit dem Mystery-Horror-Thriller „Knock At The Cabin“ legt M. Night Shyamalan bereits seinen 15. Spielfilm vor, und doch haftet dem Filmemacher seit „The Sixth Sense“, „Unbreakable“ und „The Village“ immer noch das Stigma des One-Trick-Ponys an – eines Regisseurs, der seine Filme mit einem halsbrecherischen Schlusstwist veredelt, was mal mehr, mal weniger gut gelingt. Denn jedes Mal stellt sich das Publikum vor einem Shyamalan-Film die Frage, ob am Ende ein Harakiri-Stunt zu sehen sein wird. Entwarnung: „Knock At The Cabin“ überrascht tatsächlich – aber auf andere Weise. Die Verfilmung von Paul Tremblays Roman „Das Haus am Ende der Welt“ (2018) ist ein handwerklich brillanter Home-Invasion-Thriller der ganz besonderen Art – ein Kammerspiel, das vor innerer Spannung der Figuren knistert und sich irgendwann inszenatorisch spektakulär öffnet. Einzig die etwas umständliche und den Erzählfluss hemmende Rückblendenstruktur schwächt den smart-soliden Endzeit-Reißer.

Die schwulen Väter Andrew (Jonathan Groff) und Eric (Ben Aldridge) verbringen mit ihrer kleinen Tochter Wen (Kristen Cui) die Ferien in einer idyllischen Hütte in den Wäldern Pennsylvanias, als plötzlich vier seltsame Gestalten vor der Tür stehen: Grundschullehrer Leonard (Dave Bautista), Ex-Knacki Redmond (Rupert Grint), Köchin Sabrina (Abby Quinn) und Krankenschwester Adriane (Nikki Amuka-Bird) sind eigentlich ganz normale Menschen. Doch sie werden von Visionen der bevorstehenden Apokalypse geplagt. Und nur eine Familie kann sie aufhalten. Und an deren Hütte klopfen die vier. Sie fordern Andrew, Eric und Wen auf, ein Familienmitglied auszuwählen, das sich opfern soll! Nur dann könne die Apokalypse noch abgewendet werden. Weigern sie sich, werden die Fremden nacheinander von ihren Gefährten brutal getötet und lösen damit eine Katastrophe aus. Die schockierten Andrew und Eric lehnen den Wunsch der Eindringlinge ab. Mit Horrormeldungen aus dem Fernsehen wollen die Fremden ihre Argumente untermauern, doch die beiden Väter glauben ihren Peinigern nicht. Dennoch stehen sie vor einer moralisch unmöglichen Entscheidung.

Nikki Amuka-Bird, Abby Quinn, Rupert Grint und Dave Bautista in „Knock At The Cabin“ (© Universal Pictures)

Wo steht die Karriere des M. Night Shyamalan?

Nachdem M. Night Shyamalan mit seinen beiden Big-Budget-Produktionen „Die Legende von Aang“ (2010) und „After Earth“ (2013) böse floppte, hatte der Mann aus Philadelphia eine geniale Idee, die seine Karriere nicht nur reanimierte, sondern ihr bis heute zu bester Gesundheit verhalf: Der Thriller-Spezialist produzierte 2015 seinen nur fünf Millionen Dollar teuren Horrorfilm „The Visit“ selbst und spielte damit weltweit 98,5 Millionen Dollar ein. Seitdem finanziert Shyamalan seine Werke mit einem Team treuer Partner autark. Kein Studio redet ihm mehr rein. Während diese kreative Freiheit, die Starregisseure sonst nur bei dankbaren Streamingdiensten genießen, nicht selten dazu verleitet, den Überblick zu verlieren, wirkt Shyamalans Output seither in sich stimmig. Das gilt ganz besonders für „Knock At The Cabin“ – seinen handwerklich besten Film seit „The Village“ (2004), veredelt durch die starke Kameraarbeit von Jarin Blaschke („Der Leuchtturm“, „The Northman“) und gefilmt im klassischen 35-Millimeter-Format.

Anleihen bei Euripides‘ Tragödie „Iphigenie in Aulis“

Die Prämisse des für 20 Millionen Dollar gedrehten „Knock At The Cabin“ erinnert im Kern stark an Yorgos Lanthimos’ Magengruben-Schocker „The Killing Of A Sacred Deer“ (2017). Eine Familie muss jemanden opfern, um zu überleben – wie in Euripides‘ archaischer Tragödie „Iphigenie in Aulis“. Dabei ist die Geschichte denkbar einfach, und Shyamalan bewegt sich mit seiner starken Idee zwischenzeitlich auf dünnem Eis, weil nicht immer klar ist, ob die Grundspannung den Film auf dem engen Raum der Hütte und ihrer Umgebung über die gesamte Laufzeit trägt, zumal die Rückblenden manchmal kontraproduktiv wirken. Der Regisseur nutzt sie aber auch, um die ansonsten starre Erzählstruktur aufzubrechen und relevante Informationen über die Figuren zu streuen.

Shyamalans inszenatorisch bester Film seit Jahren

Inszenatorisch ist „Knock At The Cabin“ Shyamalans reifstes Werk seit langem – kein Schnickschnack, keine Spielereien, kein Wort zu viel. Dafür viel Atmosphäre – davon lebt der Film. Sind die Eindringlinge die vier apokalyptischen Reiter aus dem 6. Kapitel der Offenbarung des Johannes als Boten des Jüngsten Gerichts – oder religiöse Spinner, die einem obskuren Selbstmordkult angehören? Oder sollten sie lieber den „Wachturm“ in der Fußgängerzone verkaufen oder als Zeugen Jehovas von Haus zu Haus ziehen? Diese Fragen schweben lange über „Knock At The Cabin“.

Ben Aldridge, Kristen Cui, Jonathan Groff und Dave Bautista in „Knock At The Cabin“ (© Universal Pictures)

SPOILER: Wer bibelfest ist und ein gutes Auge hat, bekommt schon recht früh einen starken Hinweis auf die Beantwortung der obigen Fragen – einfach auf die Farben der Oberbekleidung der Fremden achten (und ein bisschen Bibel googeln!) SPOILER ENDE

Gutes Ensemble mit starkem Dave Bautista

Bei einem Film auf so engem Raum steht und fällt die Qualität mit den Schauspielern. „Guardians Of The Galaxy“-Star Dave Bautista („Glass Onion: A Knives Out Mystery“) beweist mit seiner erneut überlebensgroßen Präsenz, dass er mittlerweile der schauspielerisch beste Ex-Wrestler Hollywoods ist – da kann Dwayne Johnson nicht mehr mithalten, selbst wenn er noch größere Filme stemmt. Nikki Amuka-Bird („Old“) und Abby Quinn („Nach der Hochzeit“) flankieren Bautista gut, während Rupert Grint („Harry Potter“) etwas abfällt und nicht die Statur hat, hier mit seiner Persona gegenzuhalten. Jonathan Groff („Mindhunter“) und Ben Aldridge („Fleabag“) überzeugen trotz einiger klassischer Klischees als kämpferisches Vaterduo. Großartig ist die junge Kristen Cui als neunmalkluge Wen, die sich dennoch realistisch wie ein Kind verhält. Und Shyamalan, der zum ersten Mal seit „After Earth“ wieder am Drehbuch mitgeschrieben hat, lässt sich seinen obligatorischen Cameo-Auftritt natürlich nicht nehmen – und der ist diesmal ziemlich witzig. Also Augen auf!

Fazit: Mit dem Öffnen des Films im letzten Drittel befreit und entscheidet M. Night Shyamalan seinen kammerspielartigen Mystery-Thriller „Knock At The Cabin“ sehr geschickt mit spektakulären, fast schon hypnotischen Szenen, die einen in den Bann ziehen. Die Auflösung, die stark von der Buchvorlage abweicht, ist durchweg überzeugend, sodass der Regisseur seine als Drahtseilakt erzählte Geschichte befriedigend zu Ende bringt.

Deutscher Kinostart von „Knock At The Cabin“: 9. Februar 2023.

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Wertung 3,5 / 5
Produktionsland

USA 2023

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