Indiana Jones und das Rad des Schicksals
Harrison Ford rettet den Mythos „Indiana Jones“, den Regisseur James Mangold ausverkauft
Er ist ein Mythos, eine der legendärsten und besten Figuren des Hollywood-Kinos: Indiana Jones – Archäologe, Raufbold und Schlitzohr! Die ersten drei Teile „Jäger des verlorenen Schatzes“ (1981), „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ (1984) und „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989) sind – jeder auf seine Weise – Meisterwerke des Unterhaltungskinos. Die erste Rückkehr auf die große Leinwand scheiterte 2008 mit „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“, weil weder die Story noch die Charaktere stimmten – und auch, weil Harrison Ford eigentlich viel zu alt für die Rolle war, die kaum angepasst wurde. Das ist beim finalen Teil „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ anders. Die Performance und das ungebrochene Charisma von Ford sind zwei der größten Stärken des Action-Abenteuers von James Mangold, der Steven Spielberg auf dem Regiestuhl zu ersetzen versucht. Alles in allem ist „Indiana Jones 5“ ein solider Sommer-Blockbuster mit dem üblichen CGI-Bombast eines (unnötig) aufgeblähten Mega-Budgets. Der Charme der ersten drei Abenteuer stellt sich nur teilweise ein, die Neuzugänge in der Besetzung zünden nicht wirklich und die Story ist zu sprunghaft, um aus der Masse herauszustechen. „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ wird sicher kein Klassiker, bietet aber über weite Strecken ansprechendes Popcorn-Kino. Für einen „normalen“ Film mag das in Ordnung sein, bei einer Ikone wie Indiana Jones ist das für Fans der ersten Stunde schon irgendwie schmerzhaft.
1944: Der Archäologe Dr. Henry „Indiana“ Jones (Harrison Ford) wird von den Nazis verhaftet, als er mit seinem Kumpel Basil Shaw (Toby Jones) die „Heilige Lanze“ stehlen will. Doch das vermeintlich mächtige Artefakt entpuppt sich als Fälschung. Als Indy aus einem Zug der Nazis fliehen will, trifft er auf den Astrophysiker Dr. Jürgen Voller (Mads Mikkelsen), der die Kunstraubzüge der Deutschen während des Krieges orchestriert. Die Enttäuschung über die „Heilige Lanze“ währt nicht lange, denn die beiden stoßen auf ein viel bedeutenderes Artefakt: die Antikythera, eine antike mechanische Uhr, die Zeitreisen ermöglichen soll – geschaffen von dem griechischen Mathematiker Archimedes. Doch das Stück der Antikythera, das Indy erbeutet hat, ist nur ein Teil der Apparatur… 1969: Indiana Jones lebt inzwischen getrennt von seiner Frau Marion Ravenwood (Karen Allen). Die Trauer um ihren im Vietnamkrieg gefallenen Sohn Mutt ist zu groß, um sie gemeinsam zu ertragen. Indy trinkt zu viel und wirkt verlottert. Erst als sein Patenkind Helena Shaw (Phoebe Waller-Bridge) auf der Bildfläche erscheint, kommt wieder Leben in den Professor, der am Hunter College in New York gerade seine letzte Vorlesung gehalten hat und mit 70 in den Ruhestand geht. Helena ist hinter der Antikythera her und jagt sie Indy ab. Und dann ist da noch Voller, der unter dem Namen Schmidt bei der NASA ein hohes Tier geworden ist und nun mit seinen Handlangern von der CIA Indiana Jones in die Enge treibt. In Tanger treffen Indy und Helena wieder aufeinander, sie versucht gerade mit Hilfe ihres jungen Begleiters Teddy Kumar (Ethann Isidore) ihren Teil der Antikythera zu verkaufen. Doch Voller und seine Schergen sind ihnen erneut auf den Fersen.

Mega-Budget hemmt „Indiana Jones 5“ mehr, als dass es hilft
Warum, um Himmels Willen muss „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ (fast) 300 Millionen Dollar in der Produktion kosten? Die ersten drei meisterhaften und von einer gigantischen Fangemeinde geliebten „Indy“-Filme zeichneten sich unter anderem dadurch aus, dass sie großartige, handgemachte Old-School-Action boten. Doch Disney, das 2013 den Rechteinhaber Lucasfilm übernahm und seither alles daransetzt, Indy ein letztes Mal die Peitsche schwingen zu lassen, zieht aus der komplizierten Gesamtsituation die falschen Schlüsse. Bei einem derart ausgeuferten Budget müssen die alten Fans an Bord bleiben und gleichzeitig neue Kinogänger angelockt werden. Letztere sind aber nur moderne CGI-Blockbuster gewohnt und so sieht „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ in der Konsequenz dieser Denke jetzt auch aus: wie jeder andere Sommerblockbuster. Das verwässert den Wiedererkennungswert (und verschreckt die treuen Indy-Anhänger). Und weil die nachgewachsene Generation mit dem Mythos Indiana Jones kaum noch etwas anfangen kann, sitzt der fünfte Teil zwischen allen Stühlen. Den Älteren ist der Film zu CGI-lastig, die Jüngeren fragen sich, was der ganze Hype um einen 80 Jahre alten Action-Abenteuer-Helden soll – oder bleiben gleich zu Hause. Das ist die Gemengelage, die „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ an den Kinokassen scheitern lässt.
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Steven Spielbergs Fußstapfen sind für James Mangold zu groß
Zurück zum Film lässt sich konstatieren, dass Regisseur James Mangold („Walk The Line“, „Logan“) seine vollmundige frühe Ankündigung, nur handgemachte Stunts und wenig CGI zu benutzen, eben nicht wahrgemacht hat. Denn „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ besteht leider zum größten Teil aus CGI. Die Actionszenen sind mit visuellen Effekten überladen, die teilweise unnatürlich wirken. Negativstes Beispiel ist die Szene, in der Indy am Ende des Zugkampfes wie eine Minifigur über das Dach der Eisenbahnwagen hoppelt – das sieht aus wie in einem Videospiel aus den 80er Jahren und wirkt nicht authentisch. Aber meistens sind die Spezialeffekte für sich genommen in Ordnung. Nur die Magie der Originalfilme will mit dieser Priorisierung auf Schauwerte in der Inszenierung nicht so recht aufkommen.

„Indiana Jones 5“ zeigt schmerzlich: James Mangold ist kein Steven Spielberg („The Fabelmans“), der die ersten vier Teile inszenierte. Spielberg hätte das CGI-Konzept mit der Anbiederung an das junge Publikum nie akzeptiert. Und deshalb sehen seine „Indy“-Filme auch anders aus. Er versteht es wie kein anderer, Abenteuern Atmosphäre zu geben, während Mangold hier in die Rolle des Regiehandwerkers geschlüpft ist. Er ist zweifellos ein begabter Filmemacher, aber den Geist von Spielbergs Originalfilmen kann er nicht vollständig einfangen.
Harrison Ford rockt „Indiana Jones” ein letztes Mal
Die Identifikation muss also über die Figur des Indiana Jones kommen. Und hier macht Harrison Ford („Star Wars: Das Erwachen der Macht“) auch mit 80 Lenzen eine ausgesprochen gute Figur. Im Film spielt Ford Indy als 70-Jährigen (sein offizielles Geburtsdatum ist schließlich der 1.7.1899). Man muss (zähneknirschend) akzeptieren, dass sich die Rolle verändert hat. Wenn die Drehbuchautoren aus Indy jetzt einen seniorigen Säufer im zerknitterten Anzug machen, dann stößt das schon auf (der späte Luke Skywalker lässt grüßen 😉 ). Das betrifft vor allem die atmosphärisch schwächere erste Hälfte. Es scheint, als hätte Mangold Schwierigkeiten, seinem Werk einen eigenen Rhythmus zu geben. Erst in der zweiten Hälfte nimmt „Indiana Jones 5“ bei der Hatz um die halbe Welt von New York nach Tanger, Griechenland und Sizilien Fahrt auf und erinnert mehr an ein echtes Indy-Abenteuer. Dann löst sich die Inszenierung auch von dem seltsam ungewohnten Setting des Jahres 1969, in dem die Figur des Dr. Jones entwurzelt wirkt.

Später spielt der Bezug zur Dekade keine Rolle mehr, Rätsel und Abenteuer dominieren dann – bis zum großen Showdown. ACHTUNG SPOILER: Sorgten die Aliens (neben der grotesken Atombombenszene im Kühlschrank) für Unmut unter den Fans, so ist das übernatürliche Finale mit Zeitreiseplot in „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ wesentlich stimmiger und befriedigender. Hier wird das CGI eindrucksvoll eingesetzt – das ist Spektakel und große Emotion. SPOILER ENDE.
De-Aging funktioniert besser als bei „The Irishman“
Der Versuch, den jüngeren Indy im 1944 spielenden Prolog mit Hilfe von De-Aging zurückzubringen, ist besser gelungen als beispielsweise in Martin Scorseses „The Irishman“, wo Robert DeNiro zwar jung aussieht, sich aber schwerfällig wie ein Endsiebziger bewegt, was einen merkwürdigen Effekt hat. Das De-Aging funktioniert bei „Indiana Jones“ geschmeidig, nur dass diese künstlichen Szenen alle im Dunkeln spielen müssen, stört ein wenig. Weniger gelungen ist die Gesamtkonstruktion der Handlung. Ist das Grundgerüst um ein mysteriöses Artefakt, das eine Kaskade von Verfolgungsjagden rund um den Globus auslöst, noch akzeptabel, springt die Story danach immer wieder wild hin und her – und dient eher als Vehikel, um möglichst spektakulär den Schauplatz zu wechseln.

Neue Nebenfiguren sind kaum eine Bereicherung
Unter den neuen Schauspielern ruhten die größten Hoffnungen auf Phoebe Waller-Bridge („Fleabag“). Das Multitalent wurde aufgrund seines enormen Talents als Bereicherung für das Franchise gepriesen, doch Waller-Bridges Figur der Indy-Patin Helena enttäuscht. Sie bleibt über weite Strecken unsympathisch und wirkt deplatziert. Auch ihre Motivation bleibt oft unklar und wechselt gefühlt ständig, während man Waller-Bridge in den Actionszenen anmerkt, dass sie dort nicht auf ihrem Fachgebiet ist. Ähnlich distanziert kommt der Charakter ihres jungen Gehilfen Teddy Kumar (Ethann Isidore) rüber, der offenbar eine Reminiszenz an „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ darstellen soll, aber nie so funktioniert und daher überflüssig ist. Mads Mikkelsen („Der Rausch“) liefert als fieser Nazi-Wissenschaftler (eine Art pervertierter Wernher von Braun) als Antagonist dagegen eine ordentliche Leistung ab – Nazis gehen bei „Indiana Jones“ immer. Und ein (kurzes) Wiedersehen mit John Rhys-Davies als Sallah und Karen Allen als Marion Ravenwood ist Nostalgie pur.
Fazit: Wie schrieb Brian Tallerico von „RogerEbert.com“ so schön treffend: „‘Indiana Jones und das Rad des Schicksals‘ ist ein Film, der schwer zu lieben, aber unmöglich zu hassen ist.“ Der fünfte Teil der legendären „Indiana Jones“-Reihe bietet solide Abenteuer-Unterhaltung, die jedoch unnötig oft von künstlichen CGI-Effekten und einer wild zusammengeschusterten Handlung überschattet wird. Die Nostalgie, die das Franchise umgibt, ist stellenweise vorhanden, aber es fehlen die wirklich erinnerungswürdigen Momente.
Farewell, Indy!
Deutscher Kinostart von „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“: 29. Juni 2023.
Wertung | 3 / 5 |
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Produktionsland | USA 2023 |
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