Gran Turismo

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Im Adrenalinrausch – ein Werbefilm als packendes und inspirierendes Rennabenteuer

Product Placement ist in Hollywood gang und gäbe – oft bemerkt man es als Kinozuschauer gar nicht. Allerdings gibt es auch eine sehr aggressive Form dieser Kunst – was mit Coca-Cola in Billy Wilders Klassiker „Eins, zwei, drei“ (1961) begann und mit „Cast Away – Verschollen“ (Fed-Ex) im Jahr 2000 einen prominenten Vertreter hatte, wurde jüngst mit dem Hype-Superhit „Barbie“ auf ein ganz neues Level gehoben, weil Regisseurin Greta Gerwig ironisch-satirisch mit ihrem Werbeobjekt spielte. Neill Blomkamp geht in seinem Action-Drama „Gran Turismo“ nicht ganz so geschickt vor, denn der Rennfahrerfilm preist unverhohlen die Vorzüge und den Schöpfer des titelgebenden Videospiels sowie den Autohersteller Nissan. Sieht man einmal davon ab, dass es sich bei „Gran Turismo“ um einen lupenreinen Werbefilm handelt, bleibt ein packendes Motorsport-Drama für die jüngere Generation, das erstaunlich viel Herz hat – was dem charismatischen Szenendieb David Harbour und Hauptdarsteller Archie Madekwe zu verdanken ist.

Der 19-jährige Jann Mardenborough (Archie Madekwe) ist ein Hardcore-Gamer und Motorsportfan, der seit seiner Kindheit davon träumt, eines Tages als professioneller Rennfahrer hinter dem Lenkrad zu sitzen. Doch im walisischen Cardiff fehlt es ihm an familiärer und finanzieller Unterstützung. Sein Vater, der Ex-Fußballprofi Steve (Djimon Hounsou), glaubt nicht an die Träume seines Sohnes, der nicht einmal Fußball spielt wie sein Bruder Coby (Daniel Puig). Janns Zuflucht ist der Rennsimulator „Gran Turismo“, in dem er ein Meister ist, dem niemand das Wasser reichen kann. Als er sich mit herausragenden Leistungen im Spiel für die GT Academy qualifiziert, wird sein Traum Wirklichkeit. Professionelle Gamer kämpfen dort auf der Trainingsstrecke um einen Platz in einem Rennteam. Unter der Leitung des Motorsport-Veteranen Jack Salter (David Harbour) werden die Sofa-Fahrer in der Realität auf Renntempo getrimmt. Hinter der waghalsigen Idee steckt der Marketing-Manager Danny Moore (Orlando Bloom), der sich mehr Aufmerksamkeit für seinen Arbeitgeber Nissan erhofft. Jann setzt sich gegen starke Konkurrenten wie Matty Davis (Darren Barnet) oder Klaus Hoffmann (Maximilian Mundt) durch. Doch im Wettbewerb auf der Rennstrecke geht es für den Frischling noch einmal ganz anders zur Sache.

Archie Madekwe in „Gran Turismo“ (© Sony Pictures)

„Gran Turismo“ geht auf die große Leinwand

Kann ein Gamer, der bisher nur in einer – wenn auch realistischen – Videospiel-Simulation in seinem Zimmer gespielt hat, wirklich mit professionellen Rennfahrern und Athleten mithalten? Das scheint fast unmöglich. Selbst wer sich nicht sonderlich für die Welt der Spielsimulatoren oder den Motorsport interessiert, hat wahrscheinlich schon von dem weltweit bekannten Gaming-Phänomen namens „Gran Turismo“ gehört. Die Rennspielserie, die es den Spielern ermöglicht, in die Rolle eines professionellen Rennfahrers zu schlüpfen und auf detailgetreu nachgebildeten Fahrzeugen und Strecken gegeneinander anzutreten, gehört nach wie vor zu den beliebtesten Rennspielen weltweit und ist die meistverkaufte PlayStation-Rennserie. Neben dem großen Erfolg gibt es aber auch eine interessante Geschichte hinter dieser Gaming-Legende, die „District 9“-Regisseur Neill Blomkamp nun erzählt.

„Gran Turismo“ gleicht Klischees und Kitsch mit glänzenden dynamischen Rennszenen aus

Adrenalin, Vollgas, scharfe Kurven, ungewisser Ausgang – „Gran Turismo“ wirkt auf der Leinwand verdammt dynamisch und drückt einen bei den Rennszenen tatsächlich in die Sitze, auch wenn der Sport-Actioner sicher nicht frei von Klischees ist. Aber die Wucht, die der Rennfahrerfilm entfaltet, ist schon außergewöhnlich. Regisseur Blomkamp überzeugt vor allem visuell (und akustisch mit aufheulenden Motoren und quietschenden Bremsen) und bietet dem Zuschauer eine schweißtreibende Tour de Force auf dem Asphalt. Die erzählerische Seite, die Janns emotionale und persönliche Entwicklung auf dem Weg zum konkurrenzfähigen Rennfahrer zeigt, ist jedoch nicht so stark wie die visuellen Eindrücke.

David Harbour (links) in „Gran Turismo“ (© Sony Pictures)

Nach einer wahren Geschichte

Es ist offensichtlich, dass Blomkamp und seine Drehbuchautoren Jason Dean Hall („American Sniper“) und Zach Baylin („Creed III“) versuchen, eine Balance zwischen einem Film zu finden, der sowohl „Gran Turismo“- und Motorsportfans anspricht, als auch eine inspirierende Geschichte erzählt. Schließlich trägt „Gran Turismo“ das Siegel „Basierend auf wahren Begebenheiten“. Im Großen und Ganzen hält sich Regisseur Blomkamp an die unglaubliche Geschichte des jungen Walisers Jann Mardenborough, der 2011 als Videospieler die GT Academy (von Nissan und Sony) auf der PlayStation gegen 90.000 andere Teilnehmer gewann, damit den Einstieg in den professionellen Motorsport schaffte und später unter anderem GP2, GP3 und Formel 3 fuhr. Lediglich die Details der meisten Rennen unterscheiden sich aus dramaturgischen Gründen – Mardenboroughs Werdegang in „Gran Turismo“ ist etwas gestrafft, aber viele Schlüsselerlebnisse wie seine Teilnahme am legendären Le-Mans-Rennen oder der Tod eines Zuschauers am Nürburgring, den Mardenborough durch einen Unfall auslöste, sind echt – wenn auch im Film zeitlich anders eingeordnet.

David Harbour sticht aus guter Besetzung heraus

Bei der Besetzung erweist sich Archie Madekwe („Midsommar“) als Jann Mardenborough (der am Set als Berater und Stuntman unterstützte) als gute Wahl. Gerne folgt man dem Sympathieträger auf der Leinwand bei seinem wirklich märchenhaften Underdog-Abenteuer. Doch der eigentliche Grund, warum „Gran Turismo“ besser funktioniert als man vorher denken mochte, ist David Harbour („Violent Night“). Der „Stranger Things“-Star versprüht als knorriger Renningenieur ein raues Charisma, und doch spürt man in jeder Szene, dass sein Jack Salter ein großes Herz hat. Das tut dem ansonsten eher formelhaften Film ungemein gut. Überraschend ist auch die Rolle des berechnenden Nissan-Marketingmanagers. Dieser auf den ersten Blick eher eindimensionale Charakter wird von „Der Herr der Ringe“-Star Orlando Bloom mit einigen schrulligen Variationen und etwas Humor gespielt, was dem Charakter ein wenig Tiefe verleiht.

Orlando Bloom in „Gran Turismo“ (© Sony Pictures)

Fazit: „Gran Turismo“ ist ein rasantes Motorsport-Drama, das zwar nicht ganz ohne Kitsch auskommt, seine Schwächen aber durch eine bärenstarke und superdynamische Inszenierung der Rennszenen ausgleicht. Dazu ist Archie Madekwe als Underdog so inspirierend wie David Harbour unterhaltsam und Orlando Bloom humorvoll. Trotz einiger dramaturgischer Holprigkeiten vermittelt der Film die schöne Botschaft, dass man seine Träume nicht aufgeben sollte, auch wenn die Umgebung sagt, dass etwas unmöglich ist.

Deutscher Kinostart von „Gran Turismo“: 10. August 2023.

Wertung 3,5 / 5
Produktionsland

USA/Japan 2023

Cast & Crew

Archie Madekwe

Jann Mardenborough

David Harbour

Jack Salter

Orlando Bloom

Danny Moore

Djimon Hounsou

Steve Mardenborough

Geri Halliwell

Lesley Mardenborough

Daniel Puig

Coby Mardenborough

Josha Stradowski

Nicholas „Nick“ Capa

Darren Barnet

Matty Davis

Pepe Barroso

Antonio Cruz

Sang Heon Lee

Joo-Hwan Lee

Maximilian Mundt

Klaus Hoffman

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