Explorer: Der letzte Tepui

Eine kühne Expedition, die zum Himmelfahrtskommando wird

Tepuis sind faszinierende tafelbergförmige Felsplateaus im Amazonas-Dschungel – im Volksmund auch „Häuser der Götter“ genannt, weil sie durch diese geografische Anatomie völlig von der übrigen Flora und Fauna isoliert sind. In der packenden National-Geographic-Dokumentation „Explorer: Der letzte Tepui“ begleiten die Filmemacher Renan Ozturk und Taylor Rees eine spannende Expedition in den Amazonas-Regenwald hautnah. Dort soll der 80-jährige Herpetologe Dr. Bruce Means auf dem Weg zu den Tepuis und beim Klettern in den Felswänden neue Arten entdecken. Der Clou dieses spannenden Cross-Overs aus Wissenschaft und Sport: Das Team wird von Freikletter-Legende Alex Honnold („Free Solo“) begleitet, der Means die Tepuis hinaufführen soll.

In der Theorie klingt diese Expedition schon äußerst kompliziert, in der Praxis erweist sie sich als Himmelfahrtskommando. Means, Honnold, Expeditionsleiter Mark Synnott und ein Team von Weltklasse-Kletterern müssen in zehn Tagen 56 Kilometer durch immer tückischeres Gelände zurücklegen, um den Fuß des Tepui zu erreichen. Eine große Herausforderung, denn Means bekommt zunehmend Probleme mit seinen Knien. Der Weg zum Tepui im Regenwald von Guyana durch dichtes Unterholz und tiefen Schlamm erweist sich für das gesamte Team als weitaus beschwerlicher als erwartet. Als Means am Fuße des Tafelberges mit seinen Kräften am Ende ist, beschließt das Kletter-Team, den Aufstieg allein zu wagen.

Dr. Bruce Means (links) und Alex Honnold in „Explorer: Der letzte Tepui“ (© Disney)

Ein unmögliches Vorhaben

So faszinierend die Idee des Projekts auch ist, bei „Explorer: Der letzte Tepui“ klaffen trotz atemberaubender Bilder aus dem Urwald Anspruch und Wirklichkeit ein wenig auseinander. Der Plan, Means über die steilen Felswände des Tepuis zu hieven, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Selbst Honnold, der beste Freikletterer der Welt, hatte Mühe, mit seinen Profikollegen die glitschigen Wände zu erklimmen. Und was eigentlich der Höhepunkt sein sollte, der Aufstieg auf den Tepui, ist am Ende doch sehr dürftig und nimmt nur einen kleinen Teil der ohnehin kurzen 55 Minuten ein. Dort oben peitscht ein fieser, kalter Dauerregen über die unwirtliche Landschaft. Als Biologen finden die Kletterer so gut wie nichts. So wird der wissenschaftliche Teil der Expedition in der Doku insgesamt überverkauft.

Honnold und Means sind die Fixpunkte der Doku

Viel spannender ist der physische und psychische Aspekt von „Explorer: Der letzte Tepui“. Man leidet mit den Teammitgliedern mit, wenn sie sich unter größten Anstrengungen und widrigsten Umständen vorwärts kämpfen und einige schließlich den Aufstieg schaffen. Als klar wird, dass es für den fitten, aber betagten Means keinen Weg nach oben gibt, weil es schlicht lebensgefährlich wäre, platzt für ihn ein Traum – doch die Vernunft siegt. Es sind auch diese kleinen menschlichen Dramen, die den Dokumentarfilm ausmachen. Dabei ist der spröde, unterhaltsame Honnold trotz seiner sensationellen sportlichen Leistung nicht die fesselndste Figur der Dokumentation, diese Ehre gebührt Bruce Means. Es ist faszinierend, mit welchem Enthusiasmus der Akademiker an das Projekt herangeht und mit welcher Begeisterung er alles Neue in diesem Hotspot der Artenvielfalt aufnimmt.

Alex Honnold in „Explorer: Der letzte Tepui“ (© Disney)

Fazit: Die Natur- und Kletterer-Dokumentation „Explorer: Der letzte Tepui“ liefert grandiose Bilder einer waghalsigen Expedition, die zwar scheitert, aber der Ikone Dr. Bruce Means, dem lebenslangen Entdecker der Flora und Fauna des Amazonas-Regenwaldes, die verdiente Aufmerksamkeit verschafft – auch wenn nicht alle Ziele des Unternehmens erreicht wurden.

Streaming: „Explorer: Der letzte Tepui“ ist seit dem 22. April 2022 im Abo bei Disney+ abrufbar.

Wertung 3,5 / 5
Produktionsland

USA 2022

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