Dumb Money – Schnelles Geld
Sympathisch-amüsanter Schildbürgerstreich an der Wall Street
Filme über die Finanzwirtschaft sind schwierig, weil die Materie so komplex und die Aufmerksamkeitsspanne des durchschnittlichen Kinobesuchers so begrenzt ist. Da braucht es schon brillante Regievirtuosen wie Adam McKay, der in seinem meisterhaften „The Big Short“ die Wall Street satirisch sezierte, oder einen Veteranen wie Martin Scorsese, der seine süffige Brokersause „The Wolf Of Wall Street“ so unterhaltsam inszenierte, dass sich niemand mehr über den im Grunde trockenen Stoff aufregte. Ganz so clever ist Craig Gillespies „Dumb Money – Schnelles Geld“ nicht, aber unterhaltsam ist seine biografische Tragikomödie über den legendären Game-Stop-Short-Squeeze im Jahr 2021 dennoch, weil sie den Schildbürgerstreich der Kleinanleger gegen das Großkapital mit Emotion und Witz unterfüttert.
Der Finanzanalyst Keith Gill (Paul Dano) aus Brockton, Massachusetts ist ein Underdog aus der unteren Mittelschicht. Doch in den sozialen Medien hat er es zu einiger Berühmtheit mit vielen Followern gebracht. Als er eines Tages sein ganzes Geld, 53.000 Dollar, auf die schwächelnde Aktie der Videospielkette GameStop setzt und darüber auf seinem YouTube-Kanal als „Roaring Kitty“ berichtet, passiert etwas Ungewöhnliches: Viele Kleinanleger springen auf den Zug auf und treiben gemeinsam den Kurs der zuvor schwachen Aktie kometenhaft nach oben – und bescheren einer Reihe von Hedgefonds, die auf fallende Kurse gesetzt hatten, Milliardenverluste. Vor allem Gabe Plotkin (Seth Rogen), der Gründer von Melvin Capital Management, gerät unter Druck. Gemeinsam mit anderen CEOs wie Steve Cohen (Vincent D’Onofrio) und Ken Griffin (Nick Offerman) versucht er gegenzusteuern, während Gill zum Internet-Phänomen aufsteigt. Unterstützt wird er dabei von seiner Frau Caroline (Shailene Woodley) und seinem spleenigen Bruder Kevin (Pete Davidson).

Wenn „Dumb Money“ plötzlich die „Smart Money“ schlägt
„Dumb Money“ ist die Verfilmung von Ben Mezrichs Sachbuch-Bestseller „The Antisocial Network: The GameStop Short Squeeze And The Ragtag Group Of Amateur Traders That Brought Wall Street To It’s Knees“ (2021). In der Welt der Börse wird der Begriff „Dumb Money“ für unerfahrene oder wenig informierte Investoren verwendet, also im Grunde für die vielen, vielen Kleinanleger, die dazu neigen, aufgrund von Emotionen, Hype oder unüberlegten Entscheidungen zu handeln, anstatt sich auf fundierte Analysen oder langfristige Strategien zu verlassen. Im Film von Craig Gillespie aber schlägt die „Dumb Money“ die „Smart Money“, die Profis mit tiefem Marktverständnis.
Sympathien sind klar verteilt
Aus seiner Parteinahme für die kleinen Leute macht der Regisseur keinen Hehl, schließlich zeichnet er einen Teil des Lebenswegs von Keith Gill nach, dessen 53.000-Dollar-Investition in der Spitze 50 Millionen Dollar wert war. Gillesspie zeichnet den Familienvater, der hinter seiner verrückten Maskerade darauf besteht, niemandem Finanztipps zu geben, sondern nur seine eigenen Anlageentscheidungen mitteilt, als stillen Held. Paul Dano („The Fabelmans“, „The Batman“) spielt diesen Underdog als bescheidenen Supernerd mit Rückgrat. Im Film bekommt man den Eindruck, dass es nur sekundär ums Geld geht, denn Gill hätte schon früh die Chance gehabt, sehr, sehr reich zu werden, aber er hielt an seinen Aktien fest und quälte die Hedgefonds weiter. Darin liegt auch der Reiz von „Dumb Money“. Als Finanzdrama geht „Dumb Money“ auch in Ordnung, als normaler Kinozuschauer kann man hier den Volten der Branche folgen, Gillespie bricht das Thema ausreichend herunter.

Oberflächlichkeit statt Komplexität
Andererseits nutzt der Film geschickt den schrägen Humor, der direkt aus Online-Plattformen stammt, um die Dynamik der realen Ereignisse widerzuspiegeln. Themen wie die Demokratisierung des Finanzwesens durch das Internet, die Macht der sozialen Medien und die Fragmentierung der Gesellschaft werden beleuchtet. Die Darstellung verschiedener sozialer Schichten, vom luxuriösen Lebensstil bis hin zu den realen Herausforderungen des Alltags, verleiht dem Film eine soziale und politische Dimension. Allerdings neigt der Film dazu, komplexe Realitäten oberflächlich zu behandeln und verpasst die Chance einer ausgewogenen Systemkritik. Und so wirken die kleinen Nebenhandlungen der Mitinvestoren, die mit ihrem Geld in den Coup einsteigen, etwas gestelzt und bemüht. Hier möchte Gillesspie eine Bewegung dokumentieren, aber vieles bleibt recht plakativ.
Fazit: Craig Gillespies unterhaltsame Biopic-Tragikomödie „Dumb Money“ erzählt eine märchenhaft wahre Geschichte vom Aufstand der Kleinanleger gegen das Großkapital. Trotz einiger Schwächen in der Tiefe der Charakterentwicklung bietet der Film Gelegenheit, über die Auswirkungen von Technologie und gesellschaftlichem Wandel auf die Finanzwelt nachzudenken.
Deutscher Kinostart von „Dumb Money – Schnelles Geld“: 2. November 2023.
Wertung | 3 / 5 |
---|---|
Produktionsland | USA 2023 |
Cast & Crew
Paul Dano
Shailene Woodley
Pete Davidson
Seth Rogen
America Ferrera
Clancy Brown
Sebastian Stan
Vincent D’Onofrio
Anthony Ramos
Nick Offerman
Dane DeHaan
Regie
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