Die Rumba-Therapie
Ein misantropischer Crocodile Dundee kehrt auf den Pfad der Tugend zurück
Die Rumba ist eine der leidenschaftlichsten und sinnlichsten Ausdrucksformen des Tanzes. Diese lateinamerikanische Variante begeistert durch ihre rhythmische Musik und ihre verführerischen Bewegungen. Die Verbindung zwischen den Tanzpartnern und die Möglichkeit zur Improvisation verleihen der Rumba einen einzigartigen Zauber und eine intensive emotionale Bindung. Soweit die Definition! Doch längst nicht jeder trägt dieses Feuer in sich. Aus diesem krassen Gegensatz der Kulturen hat der französische Schauspieler und Regisseur Franck Dubosc mit der Feel-Good-Komödie „Die Rumba-Therapie“ ein charmantes Rührstück über einen Mann inszeniert, der nach einem Herzinfarkt den Kontakt zu seiner entfremdeten Tochter sucht. Den vielen Klischees und einigen Unglaubwürdigkeiten setzt Dubosc, der auch die Hauptrolle des kauzigen Griesgrams auf Abwegen spielt, viel rauen Charme entgegen.
Tony (Franck Dubosc) fristet sein Dasein als Einzelgänger in einem Kaff 60 Kilometer von Paris entfernt. Freunde hat er wenige, Kontakt zu seiner Familie gibt es nicht und seine afrikanischen Nachbarn straft er bestenfalls mit Nichtbeachtung. Den Schülern bringt der Schulbusfahrer am liebsten Schimpfwörter auf Englisch bei. Der Traum von Amerika hat sich für den Mittfünfziger nie erfüllt. Als Tony bei der Arbeit auf der Toilette sitzend einen Herzinfarkt erleidet, rät ihm sein Arzt (Michel Houellebecq) nicht nur, mehr zu masturbieren und Sport zu treiben, um sein Herz in Schwung zu bringen, sondern auch sein Privatleben in Ordnung zu bringen. Er besucht seine Ex-Frau Carmen (Karina Marimon), die er vor 20 Jahren mit dem gemeinsamen Kind verlassen hat. Dort erfährt Tony, dass die gemeinsame Tochter Maria (Louna Espinosa) in Paris lebt und dort an der Tanzakademie Rumba unterrichtet. Nach ersten Übungseinheiten mit seiner kongolesischen Nachbarin Fanny (Marie-Philomène Nga) tanzen die beiden bei Maria vor, um Tony in den Fortgeschrittenenkurs zu bekommen. Dabei gibt er sich nicht als Vater zu erkennen.

Culture-Clash-Kino auf Französisch
Das Muster des Grantlers, der durch einen Schicksalsschlag auf den Pfad der Tugend zurückfindet und sein Leben auf den Kopf stellt, ist ein altbekanntes Filmkonzept, das mit dem französischen Überhit „Ziemlich beste Freunde“ (2011) seinen Höhepunkt erreichte. Jetzt mischt Regisseur Franck Dubosc („Liebe bringt alles ins Rollen“) das Szenario des Culture-Clash-Kinos à la „Ganz oder gar nicht“ (oder zuletzt „Das reinste Vergnügen“) und würzt das Ganze mit einer gehörigen Portion französischem Schrotflinten-Charme. Letzteres ist auch bitter nötig, denn über die klischeehafte und rührselige Story funktioniert „Die Rumba-Therapie“ nur bedingt.
Rauer Charme und Warmherzigkeit
Dieser mürrische und abweisende Tony mit seinem festzementierten Schnurrbart, den gebohnerten Cowboystiefeln und dem klassischen Altherrenlook ist schon ein Typ – die man eigentlich nicht mögen muss, aber es irgendwie doch tut. Denn genau so verhält sich sein Umfeld, das mit dem Sonderling sehr nachsichtig umgeht. Das verleiht der „Rumba-Therapie“ eine ernsthafte Warmherzigkeit. Die Figur von Tonys bestem Freund Gilles (Jean-Pierre Darroussin) zum Beispiel ist purer Humanismus, ohne in irgendeiner Weise peinlich oder anbiedernd zu sein. Und der Gastauftritt des französischen Skandalautors Michel Houellebecq als schrulliger Arzt ist wirklich amüsant.
Dubosc selbst spielt seinen Tony rau-charmant als eine Art misanthropischen Crocodile Dundee. Seine Annäherung an die Rumba ist kaum plausibel und glaubwürdig, dafür ist sein Tony zu sehr „Alter weißer Mann“, nicht mit irgendwas Nicht-Männlichem in Verbindung gebracht werden will, was auch einige Cringe-Momente produziert. Das ist aber nur ein Nebenaspekt, denn der plötzlich erwachte Wunsch, seine verlorene Tochter in sein einsames Leben zurückzuholen, ist nachvollziehbar. Und doch kann Tony manchmal nicht aus seiner Haut und fällt in alte Muster zurück. Diesen Rückfall nutzt Regisseur Dubosc für einige fragwürdige Wendungen, die bemüht wirken.

Auf den Spuren von „Dirty Dancing“
Entgegen dem ziemlich blöden Titel ist die Rumba hier auch keine Therapie, sondern nur Mittel zum Zweck. Und im Zentrum des Films steht nach wie vor die Beziehung zwischen Tony und seiner wiederentdeckten Tochter, die von Louna Espinosa („Fires In The Dark“) mit einer Mischung aus Selbstbewusstsein, Neugier und gesunder Skepsis gespielt wird. Während die Rumba-Sessions wenig Feuer versprühen, gibt es abseits des Weges eine witzige Allegorie zu entdecken. Wenn Tony als Tanzpartner für Marie bei einem wichtigen Tanzwettbewerb einspringen will, ist das ein (wahrscheinlich unbeabsichtigter) dezenter Gruß an den Kultfilm „Dirty Dancing“ – nur dass der gestandene Mann Tony hier als schnell lernender Anfänger „Baby“ Houseman ist (und nicht der dominierende Tanzlehrer Johnny). Doch der Abend bei „Kellerman’s“ verläuft anders als erwartet.
Fazit: Die Best-Ager-Komödie „Die Rumba-Therapie“ von und mit dem französischen Urgestein Franck Dubosc ist rührseliges, aber charmantes Wohlfühlkino, das mit einigen Klischees spielt, aber genug Wärme besitzt, um den Zuschauer nicht kalt zu lassen.
Deutscher Kinostart von „Die Rumba-Therapie“: 22. Juni 2023.
Wertung | 3 / 5 |
---|---|
Produktionsland | Frankreich 2022 |
Cast & Crew
Franck Dubosc
Louna Espinosa
Jean-Pierre Darroussin
Marie-Philomène Nga
Karina Marimon
Catherine Jacob
Michel Houellebecq
Marie Vincent
Philippe Uchan
Regie
Drehbuch
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