Die Känguru-Verschwörung
Das „Phänomen Känguru“ kommt auch im zweiten Versuch nicht auf der großen Leinwand an
Generell lässt sich darüber diskutieren, ob Mastermind Marc-Uwe Kling mit der Kino-Verfilmung seiner kultigen „Känguru-Chroniken“ (2009) nicht viel zu lange gewartet hat. Vielleicht nach „Das Känguru-Manifest“ (2011), spätestens aber nach „Die Känguru-Offenbarung“ (2014), als das Pop-Kultur-Phänomen auf dem Siedepunkt angelangt war, wäre die richtige Zeit gewesen. Aber erst nach dem Nachklapp „Die Känguru-Apokryphen“ (2018) nahm das Projekt konkrete Formen an und kam 2020 in die Kinos. Zu allem Unglück leistete sich die Produktion unverschuldet das (zweit-)schlechteste Timing aller Zeiten (nach „Narziss und Goldmund“). Dani Levys „Die Känguru-Chroniken“ startete am 5. März 2020 in den deutschen Lichtspielhäusern und lockte in der ersten Woche starke 451.000 Zuschauer an. Am zweiten Wochenende schlossen schon die ersten Kinos wegen der plötzlich wie eine Naturgewalt hereinbrechenden Corona-Pandemie, danach fiel der Vorhang für Monate.
Statt anderthalb bis zwei Millionen Besucher hatte „Die Känguru-Chroniken“ am Ende 815.000 Zuschauer – was zu Platz zehn der deutschen Kino-Jahrescharts reichte. Für die Fortsetzung „Die Känguru-Verschwörung“ sind die kommerziellen Vorzeichen theoretisch weit besser, aber am Ende wird das Sequel weniger Fans des kultigen Kängurus anlocken. Denn so richtig zufrieden war kaum jemand mit der ersten Verfilmung (Imdb-Wert: 5,0). Und auch wenn Marc-Uwe Kling jetzt (zusammen mit Andreas Berner) die Regiezügel selbst in der Hand hält, wird es nicht besser. „Die Känguru-Verschwörung“ ist gefällig-harmlose Unterhaltung mit omnipräsenter Botschaft, aber ohne den unwiderstehlichen Punch und die wüste Anti-Establishment-Attitüde der Bücher und Hörbücher.
Den Berliner Kleinkünstler Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) treibt weiterhin die Liebe um. Bei einem Date mit seiner Nachbarin Maria (Rosalie Thomass) in einem angesagten Dunkelrestaurant funkt ihm aber sein Mitbewohner und Freund, das Känguru (Stimme: Marc-Uwe Kling), mit seinem ungehobelten Verhalten dazwischen, was den Abend in eine für Marc-Uwe bedrohliche Wette münden lässt: Er muss es schaffen, Marias schwer querdenkende Mutter Lisbeth Schlabotnik (Petra Kleinert) auf den Pfad der Tugend zurückzubringen. Dann erwartet ihn ein Date mit Maria in Paris. Scheitert Marc-Uwe, muss er seine schöne Altbauwohnung mit Marias beengtem Apartment tauschen. Also machen sich Marc-Uwe und das Känguru auf den Weg in Berlins Osten nach Köpenick, um der Klimaleugnerin ihre Weltverschwörung auszureden. Aber auch an einer zweiten Front droht Marc-Uwe Ungemach. Marias umtriebiger Ex-Freund Joe (Michael Ostrowski) ist aus dem Gefängnis in Nordkorea entlassen worden und schlägt wieder in Kreuzberg auf.
Auch „Die Känguru-Verschwörung“ ist zu nett und harmlos
Das „Phänomen Känguru“ kam wie über Nacht und völlig unerwartet für den Kabarettisten, Liedermacher und Autoren Marc-Uwe Kling. Es begann 2008 als Podcast beim Berliner Radiosender Fritz und mündete in den vier „Känguru“-Büchern- und Hörbüchern, die sich jeweils millionenfach verkauften. Kling schuf ein einzigartiges Panoptikum des anarchischen Wahnsinns. Denn man muss das Känguru einfach mögen, selbst wenn wahrscheinlich die wenigsten Leserinnen und Leser tatsächlich seinen kommunistischen Idealen so nachhängen wie Autor Marc-Uwe Kling, der seine Gesinnung niemals verhehlen kann. Und der Widerspruch zu dem gigantischen kommerziellen Erfolg, den Kling über die Jahre in der Realität erfuhr, hat schon eine spitzbübische Ironie.

Die satirischen „Känguru“-Bücher um den Kleinkünstler und Kapitalismus-Kritiker Marc-Uwe Kling und sein hauptberuflich als Kommunist auftretendes Känguru stecken voll beißender Ironie und Sarkasmus. Und genau hier liegt die grundlegende Kritik an den beiden Verfilmungen: „Die Känguru-Chroniken“ und jetzt auch „Die Känguru-Verschwörung“ sind nett-harmlose Komödien, die konsequent auf ein Mainstream-Publikum getrimmt sind. Der Mut zur Anarchie fehlt auch Marc-Uwe Kling, der jetzt Regie führt. Diese charmant-rotzigen Spitzen gibt es zwar vereinzelt auch in „Die Känguru-Verschwörung“, aber sie sind selten.
Konzeptionell setzt Kling, der zusammen mit Jan Cronauer auch das Drehbuch schrieb, auf eine originäre, episodenhafte Story, die nur einzelne Elemente der Bücher adaptiert. So wirkt die Struktur sketchhaft (wie in den Büchern), in einer losen Rahmenhandlung hangeln sich die Protagonisten von Episode zu Episode. Dabei bremst die durchwachsene Trefferquote der Gags merklich den Schwung. Es ist Kling ganz offensichtlich ein Ansinnen, gegen die geistlosen Klima-Querdenker und Verschwörungstheoretiker zu schießen, aber mehr satirische Schärfe hätte der lupenreinen Komödie gut getan. So plätschert alles oft nur dahin – man wartet immer wieder auf den nächsten zündenden Gag.
Wo sind die „Känguru“-Gimmicks und wo ist Nirvana?
Was „Die Känguru-Verschwörung“ weiter hemmt, ist das Fehlen vieler heißgeliebter Gimmicks aus den Büchern. Wo ist der fiese Antagonist, der Pinguin, der noch am Ende des ersten Films eingeführt wurde? Warum ist das asoziale Netzwerk nicht (wirklich) Teil der Erzählung? Kommissar Schmidtchen? Bud-Spencer-Diskussionen? „Opportunismus und Repression“? Die im ersten Film noch präsenteren Nebencharaktere wie Herta, Otto von oder Friedrich-Wilhelm sind hier nur belanglose Randfiguren ohne Auftrag. Und wenn man sich schon keine Nirvana-Musikrechte leisten kann, hätte man dieses zentrale Motiv, das die Freundschaft zwischen Marc-Uwe und dem Känguru begründet, sicherlich auch über Dialoge lösen können. „Here we are now, entertain us“ – das macht Kling auch in der zweiten Kino-Verfilmung durchaus, weil die Figur des Kängurus einfach viel zu gut ist, um sie komplett zu verschenken.

Marc-Uwe Klings Känguru-Stimme ist das größte Vergnügen
Das beginnt schon mit Klings unwiderstehlicher Art, dem Känguru seine Stimme zu leihen. Wenn schon zu selten auf inhaltlicher Ebene, so ist diese Schnoddrigkeit über die Akustik jederzeit präsent. Als besten Running Gag hat sich Kling das urkomische falsche Zitieren erhalten, was zeigt, wie viel mehr noch möglich gewesen wäre, wenn er mehr Absonderlichkeiten der Bücher verwendet hätte, anstatt auf eine lauwarme Klima-Story zu setzen, die zwar konsequent dem Zeitgeist hinterherjagt, aber mehr im Klamauk einer Nummernrevue steckenbleibt, als satirische Schärfe abzufeuern. Dafür ist der Erzählton auch schlicht zu harmlos. Durchaus punkten kann „Die Känguru-Verschwörung“ mit seinen immer wieder aufblitzenden ironischen Anleihen an populäre Filmgenres. Da zitiert Kling den legendären „Alf“-Vorspann, lässt Marc-Uwe und das Känguru in den Kampf mit barbarischen römischen Legionen stolpern oder in einer Traumsequenz auf furchteinflößend-verrückte Horror-Hinterwäldler treffen.
Fazit: Die Erwartung, dass vieles besser wird als bei den „Känguru-Chroniken“ war relativ hoch, weil Marc-Uwe Kling dieses Mal selbst Regie führt, aber die Schwächen des ersten „Känguru“-Kinofilms sind auch in der Fortsetzung nicht ausgemerzt. „Die Känguru-Verschwörung“ ist eine seichte, solide Komödie, in der Kling zwar die Eigenwilligkeit der ikonischen Känguru-Figur bewahrt, es aber verpasst, den satirischen Punch der Buch-Vorlage zu übertragen.
Deutscher Kinostart von „Die Känguru-Verschwörung“: 25. August 2022
Seit 26. Januar 2023 auf Blu-ray & DVD erhältlich.
Wertung | 2,5 / 5 |
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Produktionsland | Deutschland 2022 |
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