Das reinste Vergnügen

2023107 minab 12,

Schlüpfrig-harmlose Best-Ager-Tragikomödie ohne Überraschungen

Feel-Good-Filme für die ältere Generation kommen in deutschen Kinos oft aus Frankreich, weil das Publikum den sanften Humor und den leichtfüßigen Ton, der immer auch etwas Erhabenes hat, mit dem Kauf von Kinokarten honoriert. Renée Websters Best-Ager-Tragikomödie „Das reinste Vergnügen“ weicht dezent von diesem Muster ab und schlägt eher die schlüpfrige Richtung von Peter Cattaneos Erfolgskomödie „Ganz oder gar nicht“ (1997) ein – zudem spielt die Geschichte um eine in der Berufswelt abgehängte Bürokraft, die auf dem zweiten Bildungsweg mit einer Agentur für Putz- und Sexdienstleistungen Erfolg hat, in Australien. Abseits dieses Schauplatzes fernab des Gewohnten ist „Das reinste Vergnügen“ zwar engagiert gespielt von einem sympathischen Ensemble, aber die biedere Story ist so vorhersehbar, wie es selbst in einem solchen Genre nicht sein muss, weil dem Film jeder Funke Überraschung fehlt.

Eigentlich ist die Mittfünfzigerin Gina Henderson (Sally Phillips) glücklich in ihrem Bürojob. Doch eines Tages wird sie von ihrem Chef Richard (Myles Pollard) gefeuert und durch eine Jüngere (Emily Rose Brennan) ersetzt. Geld bräuchte sie eigentlich nicht zu verdienen, schließlich steht ihr Mann Adrian (Cameron Daddo) kurz davor, Partner in seiner Anwaltskanzlei zu werden. Doch Gina langweilt sich, und auch ihre Ehe ist längst eingeschlafen. Bei ihrem letzten Auftrag soll sie beurteilen, ob die Umzugsfirma von Steve (Erik Thomson) tatsächlich Konkurs anmelden muss. Und wie es der Zufall so will, kommt Gina auf eine verrückte Idee. Als ihre Freundinnen ihr zum Geburtstag einen Stripper (Alexander England) schicken, der bereit ist, alles mit ihr anzustellen, lässt sie ihn putzen, anstatt mit ihm Sex zu haben. Wie sich herausstellt, ist Tom Möbelpacker in Steves Umzugsfirma. Da Gina weiß, wie sehr sich viele ihrer Freundinnen nach einem Abenteuer sehnen, kommt sie auf die Geschäftsidee, einen ganz besonderen Service anzubieten: Statt Umzüge gibt es Putzen und Sex. Nach anfänglicher Skepsis willigt Steve ein, seiner Firma unter Ginas Co-Leitung einen neuen Anlauf mit veränderter Ausrichtung zu geben. Der freizügige Tom ist begeistert, aber auch seine beiden Kollegen Ben (Josh Thomson) und Anthony (Ryan Johnson) machen mit. Schon bald kommen die ersten Buchungen…

Sally Phillips in „Das reinste Vergnügen“ (© 24 Bilder)

Biedere Optik, gute Hauptdarstellerin

Renée Webster arbeitete bisher als Regisseurin für das australische Fernsehen und gibt mit „Das reinste Vergnügen“ ihr Kinodebüt. Ihre TV-Herkunft kann die Filmemacherin hier nicht verleugnen. Das fängt schon in der Eröffnungsszene an, in der Gina mit ihren Freundinnen schwimmen geht, mit pixeligen Digitalbildern vom Ozean, die qualitativ nicht sehr ansprechend sind. Auch sonst gelingt es Kameramann Ben Nott („Predestination“) mit seiner bieder-konventionellen Optik nie, zu spannenden Kinobildern durchzudringen. Visuell ist „Das reinste Vergnügen“ also bestenfalls funktional. Das größte Pfund des Films ist eindeutig die Darstellerriege – allen voran Hauptdarstellerin Sally Phillips („Bridget Jones“-Trilogie), der es mit ihrer sympathisch-bescheidenen Ausstrahlung gelingt, ihren Job als moderne Zuhälterin so harmlos wie Teetrinken am Nachmittag erscheinen zu lassen.

Handlung ist viel zu vorhersehbar

Auch der Rest des Ensembles gefällt mit guten Sympathiewerten, etwa Alexander England („Alien: Covenant“) als unbedarfter Möbelpacker, der es genießt, gegen Geld mit beliebigen reiferen Damen zu schlafen. An Erik Thomsons („Somersault“) Figur Steve zeigt sich jedoch exemplarisch, was „Das reinste Vergnügen“ hemmt: Schon nach wenigen Szenen ist klar, dass die in ihrer Ehe frustrierte Gina im Laufe des Films zum frisch verlassenen Steve wechseln muss, weil die beiden besser zusammenpassen als Gina mit ihrem arroganten, abweisenden und sexmüden Ehemann Adrian. Solche vorhersehbaren Muster gibt es in fast jeder romantischen Komödie, wichtig ist nur, dass man als Zuschauer ab und zu ein paar Überraschungen und Variationen geboten bekommt. Doch in dieser Hinsicht hat „Das reinste Vergnügen“ wirklich nichts zu bieten. Die Handlung trottet ihrer Erfüllung entgegen, der Stolperstein, der der jungen Unternehmerin irgendwann in den Weg gelegt wird, ist schon von weitem zu sehen.

Ryan Johnson, Josh Thompson, Alexander England und Erik Thomson in „Das reinste Vergnügen“ (© 24 Bilder)

Harmlose Inszenierung

Obwohl es in „Das reinste Vergnügen“ um pikante Themen wie Sex gegen Geld geht, ist Websters Inszenierung völlig harmlos. Bevor es im Bett der Kundinnen zur Sache geht, blendet die Regisseurin aus. Vielmehr nutzt sie die milde Komik der Situationen in den Szenen davor – wenn sich die sexuell ungehobelten Möbelpacker ziemlich dumm anstellen und erst einmal eingewiesen werden müssen. Die moralische Frage dieser selbstbestimmten Sexarbeit ihrer Callboys lässt Webster völlig außen vor. Die Aufrichtigkeit des thematisch ähnlichen „Meine Stunden mit Leo“ (2022) fehlt.

Fazit: Der Titel von Renée Websters harmloser Sexkomödie „Das reinste Vergnügen“ ist nicht wörtlich zu nehmen. Denn die Feel-Good-Tragikomödie ist zwar sympathisch gespielt, zieht sich aber in ihrer Vorhersehbarkeit mit einigen Längen oft zäh dahin.

Deutscher Kinostart von „Das reinste Vergnügen“: 20. April 2023.

Wertung

2,5

Produktionsland

Australien 2022

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