Cloudy Mountain
Pathosreicher Bombast-Blockbustern aus China
Verschiedene Länder, verschiedene Mentalitäten, verschiedene Filme: Während sich das wunderbare chinesische Arthouse-Kino von Meisterregisseuren wie Jia Zhangke („Mountain May Depart“), Wong Kar-Wai („2046“), Chen Kaige („Leb wohl, meine Konkubine“) oder Zhang Yimou („Hero“) geschmeidig in westliche Indie-Sehgewohnheiten einfügt, sieht es bei den berüchtigten Bombast-Blockbustern aus dem Land der Mitte ganz anders aus. Das gilt auch für den knalligen Katastrophen-Actioner „Cloudy Mountain“ von Regisseur Li Jun. Von der ersten Minute der knapp zweistündigen Laufzeit an kracht und rummst es an allen Ecken und Enden der klischeehaften Story, die in unverhohlener Staatspropaganda mündet. Sieht man davon ab, bleibt ein zwar formelhafter Action-Thriller, der aber mit soliden Schauwerten und erstaunlich viel Herz punktet.
Der junge, idealistische Geoingenieur Hong Yizhou (Zhu Yilong) arbeitet zusammen mit seiner Freundin Lu Xiaojin (Junyan Jiao) an einem gigantischen Tunnelprojekt im südwestchinesischen Bergland, im Yunjiang County in der Provinz Guizhou. Während er für die Sprengungen zuständig ist, kümmert sie sich um geologische Messungen und Prognosen. Als sich dramatische Bodenbewegungen und ein drohender Erdrutsch abzeichnen, kommt es zum Konflikt mit den Bauherren, die das Projekt nicht gefährden wollen. Doch bald bricht eine Serie von Naturkatastrophen herein: Erdbeben, Hochwasser, Erdrutsche und Lawinen! Hunderttausende Menschen sind in Gefahr. Nur die Sprengung des prestigeträchtigen Tunnels, der seit zehn Jahren im Bau ist, kann die Menschen retten. Inzwischen ist Hong Yizhous entfremdeter Vater Yunbing (Huang Zhi-Zhong), ein alter Eisenbahnpionier, zu Besuch auf der Baustelle und rettet mit Lu Xiaojin Menschen aus einem verschütteten Waggon – bis sie selbst in die Tiefe gerissen werden. Hong Yizhou, der bei Vermessungsarbeiten am Berg ebenfalls in Schwierigkeiten gerät, kann sich in Sicherheit bringen und macht sich auf die Suche nach seinem Vater und seiner Freundin.

In der Tradition chinesischer Katastrophenfilme
In den vergangenen Jahren haben chinesische Katastrophenfilme mit großem Budget oft den selbstlosen Heldenmut unterschätzter Notfalldienste gefeiert, seien es die Feuerwehrleute in Tony Chans „The Bravest“ (2019) oder die Küstenwache in Dante Lams „The Rescue“ (2020). Auch in Li Juns „Cloudy Mountains“ geht es um unerschrockene Rettungsmannschaften, doch der Fokus liegt auf einer eher ungewöhnlichen Quelle des Stolzes: den Eisenbahnarbeitern. Neben den Katastrophen, die über die Protagonisten hereinbrechen, beleuchtet der Actionkracher nicht ohne Klischees das Konfliktfeld zwischen einem entfremdeten Vater und seinem von einem persönlichen Trauma belasteten Sohn.
Chinesisches Blockbuster-Kino nach Hollywood-Formel
Obwohl „Cloudy Mountain“ durch und durch chinesisch ist, entpuppt sich der Blockbuster als Blaupause aus Hollywood, denn der Regisseur übernimmt einfach die Katastrophenformel der Traumfabrik. Da ist die existenzbedrohende Katastrophe, der traumatisierte Held mit Vaterkomplex, die hartherzige Funktionärin als emotionale Gegenspielerin und der enorme Zeitdruck, unter dem die größte Katastrophe doch noch abgewendet werden soll. Diese Versatzstücke könnten auch aus einem Hollywood-Film stammen. Die schönsten Bilder liefert „Cloudy Mountain“ in der Eröffnungssequenz, wenn die Kamera über die majestätischen Berge im Südwesten Chinas streift. Im weiteren Verlauf merkt man den CGI-Szenen an, dass sie nicht auf höchstem Niveau sind. Doch Regisseur Li Jun macht diesen Malus durch schiere Geschwindigkeit wett. Er verzichtet sogar auf eine traditionelle Einführung der Charaktere und gibt von der ersten Minute an Vollgas. Sympathisch sind die beiden Protagonisten Hong Yizhou und Lu Xiaojin trotzdem.

Unverhohlene Staatspropaganda
Gewöhnungsbedürftig für ein westliches Publikum sind die unverhohlene Staatstreue und das Pathos, das an die besten Zeiten von Michael Bay erinnert. Regisseur Li Jun singt ein Loblied auf die kommunistische Führung und beschwört den Zusammenhalt des chinesischen Volkes – nicht, dass das in amerikanischen Katastrophen-Blockbustern anders wäre! Nur sind die Gesten hier noch größer und plakativer.
Fazit: „Cloudy Mountain“ ist ein pathosgeladenes Katastrophen-Action-Drama mit viel Tempo, guten Schauwerten und einer vorhersehbaren Handlung.
Deutscher Kinostart von „Cloudy Mountain“: 1. Dezember 2022.
Streaming: Ab dem 10. November im Abo bei Netflix abrufbar.
Wertung | 2,5 / 5 |
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Produktionsland | China 2021 |
Cast & Crew
Yilong Zhu
Zhizhong Huang
Shu Chen
Junyan Jiao
Taishen Cheng
Ge Wang
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