Catch The Killer
Visuell und erzählerisch packender und atmosphärisch dichter Serienmörder-Thriller
Mit der tiefschwarzen Episoden-Farce „Wild Tales“ (2014) holte der Argentinier Damián Szifron für sein Heimatland eine Oscar-Nominierung für den besten nicht-englischsprachigen Film. Nach einer langen Pause von neun Jahren ohne Regiearbeit meldet sich Szifron nun mit dem Serienkiller-Thriller „Catch The Killer“ zurück. In den USA ging sein englischsprachiges Debüt als kleiner, limitierter Kinostart völlig unter – zu Unrecht. „Catch The Killer“, der sich im großen Windschatten moderner Klassiker wie „Sieben“ und „Das Schweigen der Lämmer“ bewegt, erfindet das Genre zwar nicht neu und leidet im zweiten Teil auch unter einigen sich einschleichenden Klischees, aber Szifrons stilvolle Inszenierung garantiert einen packenden Thriller, der von seiner düster-atmosphärischen Stimmung lebt.
In der Silvesternacht erschüttert ein grausamer Anschlag Baltimore: Ein Scharfschütze erschießt von einem Hochhaus aus, begleitet vom Lärm des Silvesterfeuerwerks, wahllos 29 Menschen mit klinisch präzisen Schüssen. Anschließend sprengt er die Wohnung, aus der er geschossen hat, in die Luft. Die junge Streifenpolizistin Eleanor Falco (Shailene Woodley) erweist sich am Tatort als besonders einfallsreich, so dass der leitende FBI-Ermittler Special Agent Lammark (Ben Mendelsohn) auf sie aufmerksam wird. Ihm gefällt auch Eleanors Theorie über den Mörder, weshalb er sie an der Seite des FBI-Agenten Jack McKenzie (Jovan Adepo) in sein Team aufnimmt. Bürgermeister Jesse Capleton (Nick Walker) setzt Lammark derweil unter Druck, den Massenmörder zu fassen, doch das FBI tappt zunächst im Dunkeln, bis der Flüchtige in einem Einkaufszentrum auftaucht und in Bedrängnis gerät.

Regisseur Damián Szifron verzichtet auf Sensationshascherei
Regisseur Damián Szifron, der zusammen mit Jonathan Wakeham („Midas Man“) auch das Drehbuch schrieb, setzt in seinem ersten US-Film nicht auf Sensationshascherei, die ein solcher Stoff sicher hergegeben hätte. Dennoch sind die beiden Attentate, jedes auf seine Weise, inszenatorisch absolut brillant. Beim ersten nutzt Szifron die Dunkelheit als visuell zentrales Element. Die Silvesterfeier wird jäh unterbrochen, als ein offenbar militärisch ausgebildeter Schütze tödliche Schüsse abfeuert. Ein Opfer nach dem anderen fällt zu Boden, die Bilder sind eindringlich und eindrucksvoll, doch der Filmemacher schwelgt nicht darin, sondern behält einen nüchternen Blick.
Erinnerungen an David Finchers „Sieben“
Das perfide Mörderspiel erinnert unweigerlich an „Sieben“ (1995) – mit einem entscheidenden Unterschied. In David Finchers Meisterwerk prangerte der Mörder die Unzulänglichkeiten der Menschen in Form der sieben Todsünden an und bestrafte sie sadistisch. Der Täter in „Catch The Killer“ hingegen hegt einen Groll gegen die Gesellschaft im Allgemeinen, ohne jemanden im Besonderen anzugreifen. Im Hintergrund kann man auch eine Kritik an der Militarisierung und der Verbreitung von Waffen in den USA erkennen, denn Szifron geht immer wieder detailliert darauf ein, wie einfach es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist, an schwere Geschütze zu kommen. Der Filmemacher nimmt zwar die amerikanische Gesellschaft ins Visier, aber seine Klagen sind universell und zeitlos. Egal, welche Argumente ein Krimineller vorbringt, sie sind nicht akzeptabel, während Eleanor Grund hat, die Welt zu verachten, aber ihre moralische Integrität zeigt ihr den richtigen Weg in einer verdrehten Welt, in der sie sich befindet.
Starkes Hauptdarstellerduo

Aber im Kern geht es darum, die Jagd nach einem Serienkiller zu erzählen. Und das gelingt Szifron spannend, indem er die beiden zentralen Figuren, die junge Polizistin und den abgebrühten FBI-Ermittler, in den Mittelpunkt stellt. Die Entwicklung dieser beiden „gebrochenen“ Charaktere ist mindestens ebenso wichtig wie die Suche nach dem Killer. Shailene Woodley („The Descendants“) und Ben Mendelsohn („Rogue One: A Star Wars Story“) haben eine gute Chemie zusammen. Woodley gefällt als selbstzerstörerische Ex-Drogenabhängige, die ihre nicht näher ausstaffierte Sucht eine große Karriere gekostet hat, weil sie die Wunden ihrer Seele zurückhaltend zeigt und nie plakativ wird, während Mendelsohn sein Charisma dagegensetzt.
Schwächen im letzten Drittel
Lediglich im letzten Drittel geht „Catch The Killer“ zumindest teilweise etwas die Luft aus, da nun doch einige zuvor vermiedene Klischees zum Vorschein kommen, wie zum Beispiel der gesamte Handlungsstrang um den Bürgermeister von Baltimore, der durch sein klischeehaftes Verhalten den Fortgang der Ermittlungen immer wieder torpediert – das wirkt dramaturgisch bemüht und holzschnittartig. Auch wenn Steven Spielbergs „Der weiße Hai“ Szifrons Lieblingsfilm ist und das direkte Zitat aus dem Film über das Verhalten des Stadtvorstehers genial ist, hätte er es dabei belassen und dieser Idee im weiteren Verlauf nicht so viel Raum geben sollen. Die Auflösung hingegen ist weitgehend schlüssig, ohne an dieser Stelle zu viel zu verraten.
Fazit: Mit „Catch The Killer“ gelingt dem Argentinier Damián Szifron ein vielversprechendes englischsprachiges Debüt, das leider weltweit unter dem Radar gelaufen ist. Einen Blick wert ist das visuell und erzählerisch packende und atmosphärisch dichte Serienmörder-Thriller-Drama trotzdem.
Deutscher Kinostart von „Catch The Killer“: 5. Oktober 2023.
Wertung | 3,5 / 5 |
---|---|
Produktionsland | USA 2023 |
Cast & Crew
Shailene Woodley
Ben Mendelsohn
Jovan Adepo
Ralph Ineson
Rosemary Dunsmore
Nick Walker
Richard Zeman
Dusan Dukic
Regie
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