Avatar: The Way Of Water

Bahnbrechendes visuelles CGI-Spektakel mit papierdünner Story

„Das ist der schlimmste Business Case der Filmgeschichte.“ So reden nicht etwa Analysten über Fox/Disneys 350 bis 400 Millionen Dollar teures Film-Event „Avatar: The Way Of Water“, sondern Regisseur James Cameron selbst. Aber auch wenn das Sci-Fi-Abenteuer „der dritt- oder vierterfolgreichste Film aller Zeiten“ sein müsste, um „Break-Even“ zu erreichen, wird der selbstbewusste wie streitbare Kanadier mit seinem mächtigen Ego wohl keine schlaflosen Nächte haben. Der Druck vor „Avatar: Aufbruch nach Pandora“ war 2009 wesentlich größer, weil damals keineswegs klar war, ob Camerons riskante Rechnung aufgeht, einen so sündhaft teuren Originalstoff ans Kinovolk zu verkaufen. Am Ende stand der umsatzstärkste Film aller Zeiten in den Geschichtsbüchern. Deswegen ist „Avatar 2“ am Box Office trotz der gigantischen Kosten ein No Brainer – es sei denn, Cameron vergeigt seinen Hightech-CGI-Showcase. Doch an dieser Front gibt es eine klare Entwarnung (und kleine Enttäuschung zugleich): „Avatar: The Way Of Water“ ist exakt der Film, den alle erwartet haben: ein technisch revolutionäres, visuelles Meisterwerk, das unfassbare Bilder auf der möglichst großen Leinwand bietet, bei dem Cameron aber erzählerisch nur eine ausgesprochen dünne Suppe serviert. „Avatar: The Way Of Water“ ist spektakulär-bombastisches Überwältigungskino mit einer dürren Story und einer simplen Schwarz-Weiß-Zeichnung fast aller Charaktere.

Im Jahr 2154 zogen die Menschen nach einer existenziell bedrohlichen Rohstoffknappheit auf der Erde in den Weltraum aus und fielen auf Pandora ein, um den Mond industriell auszubeuten. Doch die Resources Development Administration (RDA) stieß auf erbitterten Widerstand der Na’vi genannten Ureinwohner. Mehr als zehn Jahre sind vergangen, seitdem der Ex-Marine Jake Sully (Sam Worthington) in dem kriegerischen Getümmel übergelaufen ist und seinen irdischen Körper mit seinem Avatar vereint hat, um selbst ein Na’vi zu werden. Gemeinsam mit seiner Frau Neytiri (Zoe Saldana) hat er eine große Familie gegründet. Da sind nicht nur der Älteste, Neteyam (Jamie Flatters), Heißsporn Lo’ak (Britain Dalton) und das Nesthäkchen Tuktirey (Trinity Bliss), sondern auch noch der Menschenjunge Miles „Spider“ Socorro (Jack Champion) und die adoptierte Na’vi-Teenagerin Kiri (Sigourney Weaver). Weil Jake eine Schlüsselrolle in dem Niederschlag des Rohstoffangriffs der „Himmelsmenschen“ spielte, sinnt die RDA auf Rache und will Jake und seine Familie auslöschen. General Ardmore (Edie Falco) schickt den getöteten Supersoldaten Colonel Miles Quaritch (Stephen Lang) als Na’vi geklont in den Kampf, um Jake zu finden, der seinerseits Rebellenangriffe auf die Invasoren orchestriert. Als Jake von den Plänen der Himmelsmenschen erfährt, flieht er mit seiner Familie aus der Dschungelheimat Omaticayan im Hochgebirge zum Volk der Metkayina, das an den glasklaren Atollen des Mondes Pandora lebt.

Drei weitere „Avatar“-Filme sind bis 2028 geplant

Die Abstände, in denen Blockbuster-Spezialist James Cameron („Terminator 2“, „Aliens“) Filme ins Kino bringt, werden immer größer. Seit 1997 hat der Veteran nur drei Spielfilme gedreht – davon allerdings mit „Avatar: Aufbruch nach Pandora“ (Einnahmen: 2,92 Milliarden Dollar) den erfolgreichsten und mit „Titanic“ (Einnahmen: 2,20 Milliarden Dollar) den dritterfolgreichsten Film der Geschichte. Deswegen wird Cameron es verkraften, dass das Studio Fox/Disney „Avatar: The Way Of Water“ insgesamt sage und schreibe siebenmal verschoben hat. Im Dezember 2009 für 2015 angekündigt, konnte der Start schließlich erst Ende 2022 realisiert werden. Somit liegen lange 13 Jahre zwischen Original und Sequel. Wenn überhaupt trotz dieses schwindelerregenden Budgets ein kleines Restrisiko bleibt, ist die einzig bange Frage der Produzenten, ob eine nächste Generation bereit ist, nach Pandora aufzubrechen. Aber „Avatar 3“ (Start: 18.12.2024) ist bereits abgedreht, weil in einem Rutsch mit dem zweiten Teil entstanden. Ob die ebenfalls geplanten und bereits geschriebenen „Avatar 4“ (16.12.2026) und „Avatar 5“ (20.12.2028) kommen werden, hängt vom kommerziellen Erfolg von Teil 2 und 3 ab, wie Cameron offen zugab.

Sigourney Weaver, Zoe Saldana, Jamie Flatters, Britain Dalton, Trinity Bliss, und Sam Worthington (von links) in „Avatar: The Way Of Water“ (© Disney)

Cameron inszeniert den größten Eventfilm aller Zeiten

Bei der Qualität, die der Filmemacher mit „Avatar: The Way Of Water“ anbietet, ist davon auszugehen, dass das Publikum am Ende tatsächlich alle Teile von „Avatar“ zu sehen bekommen wird. Denn der Regisseur versteht es wie kein anderer weltweit, auch nicht Peter Jackson („Der Herr der Ringe“), einen Film zu einem so außergewöhnlichen Event hochzujazzen, dass kaum ein Kinofan daran vorbeikommt. Und wie schon bei „Avatar: Aufbruch nach Pandora“ wiederholt sich das Muster: Das Sequel ist weniger als klassisches Leinwandwerk zu sehen, sondern vielmehr als cineastische Erfahrung – ein audiovisuelles Happening. Es ist die pure Schönheit der blaugestählten Bilder von Camerons Stammkameramann Russell Carpenter, die „Avatar: The Way Of Water“ staunenswert machen – seien es Settings der Festung in der Hochlage des Huang-Shan-Gebirges oder in der Atollwasserwelt der Metkayina, wohin Jake Sully mit seiner Familie flieht. Diese Weltenbildung ist ein Ereignis. Unter Wasser liefert Tiefsee-Freak Cameron dann tatsächlich etwas Visionäres. Noch nie waren derart berauschende, bestehend scharfe Unterwasseraufnahmen in einem Kinofilm zu bestaunen, obwohl das komplette Universum per CGI am Computer entstanden ist.

Storytelling bleibt die Schwachstelle von „Avatar“

Beim Storytelling wiederholt Cameron dagegen die Fehler des Originals, das teils als „Pocahontas im Weltall“ verspottet wurde. Wenn ein Film ganz offensichtlich für die größtmögliche Masse gemacht ist, verwundert es kaum, dass die Drehbuchautoren Josh Friedman und Cameron selbst auf eine sehr klare Zeichnung der Figuren setzen. Es gibt nur gut oder böse. Na’vi oder Himmelsmenschen! Die einzige winzige Grauzone, die sich die beiden Autoren lassen, ist die Beziehung des martialischen Colonel-Quaritch-Klons und Quaritchs Sohn Miles, der wie ein Tarzan Junior durch die Welt der Na’vi fegt und im actionstrotzenden Finale besonders wichtig wird. Der Rest der Erzählung handelt von der Familie. Dieser Kampfbegriff wird hier fast noch größer geschrieben als in der „Fast & Furious“-Reihe. Immer und immer wieder appelliert Jake Sully nicht ohne Kitsch an die familiären Werte, die er allerdings ziemlich konservativ, fast schon archaisch auslegt wie früher im Wilden Westen.

Sam Worthington in „Avatar: The Way Of Water“ (© Disney)

Aller Liebe zum Trotz bestimmt der Patriarch. Aber mit seinem zweiten Sohn Lo’ak lehnt sich ein Rebell meist in besten Absichten auf. An dieser Stelle hat „Avatar: The Way Of Water“ das größte emotionale Potenzial, denn die restlichen Konflikte sind allesamt berechenbar bieder – und somit mäßig spannend (zum Beispiel als Jakes Familie beim Metkayinavolk erstmal auf Ablehnung stößt). Das führt zu einigen Längen in den mehr als drei Stunden Laufzeit, wenn Cameron zwischendurch wiederholt selbst seinem eigenen Bilderrausch verfällt und den Na’vi-Nachwuchs minutenlang beim Tauchen und Tollen unter Wasser zeigt – ohne dass sich die Handlung auch nur einen Millimeter nach vorn bewegt.

Gigantischer Tulkunangriff und hoher Bodycount

Aber bevor es zu rührig wird, schaltet der Regisseur wieder hoch und präsentiert zwischendrin einige visuelle Highlights, die allein den Kinobesuch rechtfertigen. Wie zum Beispiel den Angriff eines verstoßenen Tulkunbullen, eine Art Riesenwal, der sich zum Schutz seines Freundes Lo’ak todesmutig auf ein Kampf- und Tulkunfangschiff der Himmelsmenschen wirft – eine beeindruckende, schier bahnbrechende Actionszene! So ist die letzte Stunde des Films auch die beste, wenn sich die Kontrahenten auf dem Meer eine epische, finale Schlacht liefern und Gigantomane Cameron einen kleinen selbstreferenziellen Schlenker zu „Titanic“ macht und auch sonst voll in seinem Element als großer Bombast-Zampano ist. Cameron erhöht die Schlagzahl und schraubt den Bodycount in beachtliche Dimensionen, Na’vi und Himmelsmenschen sterben reihenweise, durchbohrt von Pfeilen, mit Maschinenpistolen niedergestreckt oder erdolcht. Inmitten dieser Gerade-noch-FSK-12-Brutalität wird einem Opfer auch mal der Arm abgerissen. Cameron macht keine Konzessionen an ein junges Familienpublikum. Der dritte Akt ist pure Action.

Ein Tulkan in „Avatar: The Way Of Water“ (© Disney)

„Avatar“ findet keinen Eingang in die Popkultur

Dass Camerons „Avatar: The Way Of Water“ und auch der Vorgänger erzählerisch so schwach auf der Brust sind, untermauert auch ein seltsamer Fakt. „Avatar“ hat trotz des Status des umsatzstärksten Films aller Zeiten inhaltlich praktisch keinerlei Eingang in die Popkultur gefunden. Es gibt keine kultigen Zitate, niemand läuft als Na’vi verkleidet auf den ComiCons dieser Welt herum, weil es nichts gibt, woran man sich im „Avatar“-Universum irgendwie festhalten kann. Indiana Jones, Luke Skywalker oder Han Solo sind absoluter Kult. Typen! Dieser Held Jake Sully löst einfach wenig bis gar nichts aus. Ob das nur daran liegt, dass alle Figuren im computergenerierten Motion-Capturing-Verfahren entstanden sind, darf getrost bezweifelt werden. Man fiebert schon mit seiner Familie mit, aber nach dem Abspann ist alles auch schnell vergessen – es bleibt nicht viel hängen.

Fazit: James Cameron revolutioniert mit dem Science-Fiction-CGI-Kracher „Avatar: The Way Of Water“ ein zweites Mal die Visualität des Kinos mit nie zuvor gezeigten Bildern, versäumt es aber, trotz aller provozierter Emotionalität und gepredigter Familienwerte, lebendige Figuren zu erschaffen, die nachhaltig berühren. So ist „Avatar 2“ eine wunderschön anzusehende, spektakuläre Jahrmarktattraktion mit einigen Längen auf mehr als drei Stunden Spielzeit. Mächtiger, mächtiger Badabumm!

Deutscher Kinostart von „Avatar: The Way Of Water“: 14. Dezember 2022.

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Wertung 3,5 / 5
Produktionsland

USA 2022

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