Air – Der große Wurf
Mitreißende Underdog-Geschichte um den größten Deal der Sportgeschichte
Nach den Querelen um den unrühmlichen Abgang als Regisseur von DCs „The Batman“ kehrt Ben Affleck mit dem hochemotionalen Feel-Good-Sport-Drama „Air – Der große Wurf“ in ein sicheres Umfeld zurück. Denn in seiner Underdog-Geschichte über den größten Marketing-Deal, der je im Basketball abgeschlossen wurde, hat der Kalifornier mit seinem Buddy Matt Damon einen engen Vertrauten als Hauptdarsteller, der allein schon mit einer oscarreifen Leistung glänzt. Seine Figur des Markenchefs und Talentsuchers des in den 1980er Jahren angeschlagenen Sportartikelherstellers Nike ist so sympathisch und integer, dass man als Zuschauer am (allseits bekannten) Ende des Films fast Tränen in den Augen hat, als der Deal mit dem damals unbekannten 21-jährigen Michael Jordan abgeschlossen wird und den Konzern wie Phönix aus der Asche auferstehen lässt. Diese Vorhersehbarkeit tut „Air“ keinen Abbruch, vielmehr besticht der Film durch seine Schlichtheit, die Affleck in Perfektion inszeniert.
1984: Der Sportartikelkonzern Nike ist zwar der drittgrößte Player auf dem amerikanischen Markt, strauchelt aber seit Jahren mit seiner Basketballsparte, die CEO Phil Knight (Ben Affleck) am liebsten schließen würde, weil sie nicht profitabel ist. Kein Topspieler will zu Nike, denn das Image des Unternehmens aus Beaverton, Oregon, ist uncool und antiquiert. Markenchef und Talentguru Sonny Vaccaro (Matt Damon) hat eine verrückte Idee, die das Blatt wenden soll – oder seine Karriere ruinieren wird. Vaccaro will das gesamte Basketball-Budget und die volle Konzentration auf den jungen Rookie Michael Jordan (Damian Delano Young) setzen, der noch kein einziges Spiel in der NBA-Profiliga absolviert hat. Doch der als großes Talent gehandelte Youngster hat keine Lust, bei den Losern von Nike zu unterschreiben, schließlich liegen ihm lukrative Verträge von Adidas und Converse vor. Deshalb setzt Vaccaro gegen den Rat seiner Kollegen und gegen den Willen seines Chefs alles auf eine Karte und taucht unangemeldet bei Jordans Mutter Deloris (Viola Davis) zu Hause in North Carolina auf. Damit verstößt er bewusst gegen die Regeln der Branche und übergeht Jordans tobenden Agenten David Falk (Chris Messina). Auch Vaccaros ihm wohlgesonnene Mitstreiter Rob Strasser (Jason Bateman) und Howard White (Chris Tucker) glauben, dass er mit diesem aggressiven Vorgehen die Zukunft der Firma aufs Spiel setzt.

Afflecks fünfte Regiearbeit ist der große Wurf
Schauspiel-Superstar Ben Affleck hat erst eine Handvoll Filme gedreht, sich aber bereits einen exzellenten Ruf als Regisseur erarbeitet. Den Oscarpreisträger (als Produzent von „Argo“ und als Drehbuchautor von „Good Will Hunting“) zeichnet eine Vorliebe für komplexe Geschichten und Charakterstudien aus. Und er ist bekannt dafür, seine Stars zu Höchstleistungen zu motivieren. Affleck findet eine einzigartige Balance zwischen Spannung und Emotionen, die den Zuschauer fesselt, wie er in Filmen wie „Gone Baby Gone“, „The Town“ oder „Argo“ bewiesen hat. Diese Eigenschaften gelten auch und erst recht für „Air – Der große Wurf“. Auf den ersten Blick ist die Geschichte um einen Marketing-Deal nur einer von vielen Sportfilmen, die vor allem bei den Amerikanern sehr beliebt sind. Dass Michael Jordan, der wohl beste Basketballer, der je dieses Spiel gespielt hat, das Aushängeschild von Nike war und auch nach seiner Karriere noch ist, weiß jeder, der sich auch nur ein bisschen mit dem Sport beschäftigt hat. Wie Affleck aus dieser simplen Geschichte, deren Ausgang dem Publikum wohlbekannt ist, einen so außergewöhnlich unterhaltsamen und emotional mitreißenden Film macht, ist eine große Leistung.
Faszinierende Hauptfigur
„Air – Der große Wurf“ ist auf der visuellen Ebene ein lupenreines Period Pic, perfekt ausgestattet, mit der tollen Kameraarbeit des genialen Robert Richardson („JFK“) veredelt und flankiert von einem mitreißenden 80er-Jahre-Soundtrack – von Dire Straits‘ „Money For Nothing“ über ZZ Tops „Legs“, Cyndi Laupers „Time After Time“ oder Bruce Springsteens „Born In The USA“ bis hin zu Harold Faltermeyers „Axel F“. Das verleiht dem Film die richtige Hintergrundstimmung. Obwohl das Genre Drama ist und mit messerscharfen Dialogen glänzt, transportieren fast alle Figuren eine unglaubliche Wärme und einen sanften Humor, der „Air“ so sympathisch und sehenswert macht. Dieser Sonny Vaccaro kümmert sich nicht um sein Äußeres. Er hasst das Laufen (was den Ruhm seines Arbeitgebers begründet), das ihm sein Bauch auch kaum erlaubt, trägt die langweiligsten Ami-Klamotten, die man sich vorstellen kann, und beim Wetten gewinnt er selten. Aber wenn es um Basketball geht, gibt es niemanden, der diesen Sport mit mehr Leidenschaft und Energie verfolgt. Im Gewand eines Spießers versteckt sich ein Visionär, der die Sportwelt für immer verändern wird. Und so füllt Matt Damon („Jason Bourne“) die Leinwand mit Charisma, weil seine Understatement-Figur hellleuchtend zu strahlen beginnt, wenn der Ball im Spiel ist.

Viola Davis und Jason Bateman: Auch die Nebendarsteller überragen
Aber auch die Nebendarsteller leisten Großes. „Ozark“-Star Jason Bateman verdient nicht nur den Preis für die beste 80er-Jahre-Frisur. Er spielt den Marketingchef Rob Strasser mit großer Würde. Ben Affleck hält sich als Porsche-fahrender Nike-Chef Phil Knight meist im Hintergrund, nimmt sich aber ab und zu Szenen, in denen er mit skurriler Kauzigkeit auftrumpft. Ohne die herausragende Leistung von Viola Davis („The Help“) würde „Air“ allerdings kaum funktionieren, denn um die Person Michael Jordan geht es in „Air“ wenig, er wird fast nie von vorne gezeigt (wer den streitbaren Jordan richtig kennenlernen will, schaut sich die grandiose Doku-Serie „The Last Dance“ an). Davis ist als Jordans Mutter Deloris das Zünglein an der Waage, von dem das Wohl und Wehe des gesamten Figurenkabinetts abhängt. Sie ist die resolute Beschützerin der Interessen ihres Sohnes, gleichzeitig aber auch eine herzensgute Person, die ihre Menschlichkeit in diesem knallharten Geschäft nicht aufgibt.
Fazit: Eine herausragende Besetzung, ein toller Retro-Soundtrack und starke, atmosphärische Bilder lassen in Ben Afflecks emotional Sport-Drama „Air – Der große Wurf“ nicht nur die 80er Jahre realistisch auferstehen, sondern bescheren dem Publikum auch unwiderstehliche Unterhaltung mit so sympathischen Charakteren, dass man knapp zwei Stunden lang gebannt bei dieser mitreißenden Underdog-Story mitfiebern muss. „Air“ ist ein Slam Dunk – ein Nostalgiefilm mit riesengroßem Herz!
Deutscher Kinostart von „Air – Der große Wurf“: 6. April 2023.
Streaming: Seit dem 12. Mai 2023 im Abo auf Amazon Prime Video abrufbar.
Wertung | 4 |
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Produktionsland | USA 2023 |
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