Berlin-Premiere von „Werner Herzog – Radical Dreamer“: „Hier in Deutschland glauben alle Leute, ich habe seit ‚Fitzcarraldo‘ keinen Film mehr gemacht“

Kurz nach seinem 80. Geburtstag kommt die erste offizielle Dokumentation über Regie-Legende Werner Herzog in die Kinos. Multikünstler Thomas von Steinaecker hat sich dem exzentrischen Filmemacher auf beeindruckende Weise genähert. Davon überzeugten sich Fans und Bewunderer des gebürtigen Münchners bei der Berlin-Premiere von „Werner Herzog – Radical Dreamer“ im proppevollen und erstmals seit Jahren ausverkauften Arsenal-Kino am Potsdamer Platz.

Neben Regisseur Thomas von Steinaecker, der auch als Schriftsteller, Hörspiel- und Comicautor erfolgreich ist, war auch Werner Herzog – neben alten Weggefährten wie Regisseur Volker Schlöndorff, Kameramann Thomas Mauch oder Schauspielerin Eva Mattes – an diesem 18. Oktober 2022 im Berliner Arsenal-Kino persönlich anwesend und gab im Anschluss an die Premierenvorstellung ausführlich Auskunft über sein Schaffen. Arsenal-Co-Direktorin Birgit Kohler hatte Steinaecker und Herzog fast eine Stunde im Publikumsgespräch auf der Bühne.

Wie von Steinaecker Zugang zu Herzog bekam

Die spannendste Frage beantworten Steinaecker und Herzog gleich zu Beginn. Wie schaffte es Steinaecker, grünes Licht für eine Dokumentation über die Regie-Ikone zu bekommen, obwohl sich Herzog bisher wenig zugänglich für solch ein Projekt gezeigt hatte. Und von Steinaeckers Antwort war eindeutig: „Weil Werner Herzog bisher alle Anfrage abgelehnt hat. Und wenn etwas unmöglich ist, dann reizt es einen, es natürlich trotzdem zu versuchen.“ Doch Herzog grätschte gleich in die Antwort und korrigierte: „Do the doable – mach, das Machbare. Dass ich das Unmögliche mache, wird mir [im Film] in den Mund gelegt.“ Er plädiert dafür, dass man seine Zeit nicht mit Dingen vergeuden soll, die einen nirgendwo hinführen.

Regie-Ikone Werner Herzog

Steinaecker ist schon seit seinem 14. Lebensjahr begeistert von Herzogs Wirken. Der Auslöser war eine nächtliche NDR-Ausstrahlung von Herzogs Meisterwerk „Aguirre, der Zorn Gottes“ (1972). „Ich war schwer fasziniert, aber auch schwer verstört“, erzählte von Steinaecker, den „die Faszination nicht losgelassen hat“. Aber auch Herzogs literarisches Werk zieht von Steinaecker in den Bann – das begann mit dem Reisetagebuch „Vom Gehen im Eis“, was ihn „wahnsinnig beeindruckt hat“. Der erste Kontakt zwischen den beiden Regisseuren erfolgte dann tatsächlich über die Werner-Herzog-Homepage, die sein Bruder und Produzent Lucki Stipetic betreibt. Wenige Wochen später hatte von Steinaecker ein persönliches Gespräch mit Herzog über das mögliche Projekt.

Herzog wollte nur keine Peinlichkeit

Warum sich Herzog überhaupt auf das filmische Porträt eingelassen hat, schilderte der Regisseur so: „Ich war zunächst skeptisch, wie man das natürlicherweise sein soll, weil Filme über Regisseure fast immer Peinlichkeiten geworden sind. Leute auf dem Egotrip, Eitelkeiten. Und ich habe gesagt, das darf nicht passieren. Das Einzige, woran ich interessiert bin, ist, dass es keine Peinlichkeit wird.“ Herzog weiter: „Hier in Deutschland glauben alle Leute, ich habe seit ‚Fitzcarraldo‘ keinen Film mehr gemacht. Und wer hat meine 40 letzten Filme eigentlich gesehen – nach ‚Fitzcarraldo‘?.“ Deshalb sollte die Doku auch einen Blick auf dieses Schaffen nach 1982 werfen.

Die Fragen aus dem Publikum waren besser als bei solchen Premieren üblich. Ein Zuschauer deutete zielgenau auf eine Unebenheit im Film. Während alle anderen deutschsprachigen Weggefährten in der Doku Deutsch sprechen, spricht Herzog nur Englisch. Das war ein Zugeständnis der Produzenten an die weltweite Vermarktung – ohne dieses Nachgeben hätte es wahrscheinlich keinen Film gegeben, erklärten die Beteiligten. Auch wenn Herzog dies als „Wunde“ sieht und auch von Steinaecker Herzog lieber auf Deutsch interviewt hätte, hätten beide mit diesem Kompromiss aber generell kein Problem.

Kontrovers diskutierte Gastauftritte von Pattinson und Kidman

Im Film kommen Dutzende von Herzogs Weggefährtinnen und Weggefährten zu Wort, dabei wirken die Superstars Robert Pattinson („Batman“) und Nicole Kidman („The Northman“) etwas substanzlos. Deswegen kam die Frage nach einem PR-Gag auf. Von Steinaecker wiegelte aber ab: Er hätte gegenüber den Produzenten wegen der „Big Names“ auch zunächst so argumentiert, musste aber seine Meinung revidieren, „weil allein die Anwesenheit und die spürbare Begeisterung, mit der sie über Werner sprechen, etwas anderes transportiert, als das, was ein substanzieller Content ist“.

Spaß mit enthusiastischem Carl „Apollo Creed” Weathers

Für Heiterkeit sorgte das Gespräch über Carl Weathers („Rocky“), der sich in der Dokumentation vollkommen euphorisch über die Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Werner Herzog in „The Mandalorian“ äußert. „Den habe ich gesamten Leben nur zwei Stunden miterlebt. Der war beeindruckt. Wir haben am Set gut miteinander gekonnt.“ Herzog zeigte sich seinerseits beeindruckt von Weathers Enthusiasmus. „Es braucht mich nicht jeder 30 Jahre bei der Arbeit begleitet zu haben, um irgendwas zu sagen.“

„Werner Herzog – Radical Dreamer“ läuft ab dem 27. Oktober 2022 in ausgewählten Kinos in Deutschland.

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